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Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande

Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kellison
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zuckte ihre Hand gerade so weit zurück, dass sie mit ihren Fingerspitzen seine Lippen streifte.
    »Ich kann das nicht«, sagte er. Er musste sich sofort aus ihrer Reichweite entfernen und die Schatten aus dem Reich des Todes fest um seine Schultern ziehen. Er durfte nie mehr herkommen. Er würde ihr in den Zwielichtlanden begegnen, vielleicht schon bald. Das musste reichen.
    Dennoch schmiegte er sein Gesicht in ihre Hand, und ihre weiche Haut ließ seinen restlichen Widerstand schmelzen. Ihr sterblicher Wille war stärker als alles, was er aufbringen konnte.
    Er konnte nicht den genauen Augenblick benennen, in dem er schwach geworden war. Vielleicht, als er aus dem Schatten herausgetreten war. Oder als er Luft geholt hatte, um das erste Wort zu formen, Ruhig . Oder Jahre zuvor, als er hergekommen war, um sie von seinem dunklen Versteck aus zu beobachten, obwohl er dazu keinen Auftrag hatte.
    »Schattenmann?«
    Aber als er nun den Kopf neigte und zum ersten Mal ihre Lippen berührte, war er verloren. Der dunkle Most ihrer Lippen schmeckte köstlicher als irgendetwas in irgendeiner Welt oder zwischen irgendwelchen Welten. Nur einmal ausgiebig naschen, nur einmal, dann würde er gehen.
    Durch die Verbindung, die sie zwischen sich gebildet hatten, schlug ihr Herz kräftig. Alles andere als schwach. Vielleicht konnte sie durch seine Berührung ewig leben.
    Er wich zurück. Als er sie nicht mehr spürte, fühlte er sich augenblicklich vollkommen leer. »Es gibt Gesetze, und tief in deinem Inneren weißt auch du ganz bestimmt, dass man nicht gegen sie verstoßen darf.«
    »Das ist mir egal. Ich bin viel zu lange vernünftig gewesen.«
    Nur eine Sterbliche konnte so mutig sein. Sie wusste, dass ein Ende nahte und damit ein neuer Anfang. Aber für einen Unsterblichen waren die Konsequenzen einfach und unendlich. Sie hatte keine Ahnung.
    »Du hast es selbst gesagt«, beharrte sie. »Es wird nicht heute geschehen. Vielleicht morgen oder übermorgen, aber mir bleibt noch das Jetzt . Verstehst du das?«
    »Kathleen … « Sein Protest erstarb auf seinen Lippen. Noch nie zuvor hatte er ihren Namen ausgesprochen.
    »Mein ganzes Leben lang bist du an meiner Seite gewesen, hast das Schlimmste besser und die schrecklichsten Augenblicke erträglicher gemacht. Wieso? Du musst mich lieben.«
    »Das tue ich.« Vollkommener Irrsinn.
    Sie schwieg, hielt die Luft an und wartete, dass er ihr ein Zeichen der Hoffnung gab. Wartete auf ihn . Unfassbar.
    Wie hielten Sterbliche das aus? Nach einem einzigen Wimpernschlag von ihr konnte er es nicht länger ertragen. Um bei ihr, bei Kathleen zu liegen, nur einmal Licht in die Dunkelheit zu bringen, würde er alles riskieren. Keine Strafe konnte ihn davon abhalten, seinem Verlangen nachzugeben. Es gab keine Pein, die er nicht bereits erlitten hatte, als er in den dunklen Ecken ihres Zimmers ausgeharrt hatte.
    Wenn die Anspannung in seiner Mitte, die ihn drängte, sie zu berühren, seinen Körper mit ihrem zu verschmelzen, das war, was die Menschen als Leidenschaft bezeichneten, war er dazu durchaus in der Lage. Er konnte sich in sie ergießen. Einen wundervollen Moment geben und nehmen.
    Und ja! – jetzt begriff er – die Zeit war knapp. Ihre Ungeduld war ansteckend. Er befand sich zwar erst seit wenigen Augenblicken hier, aber schon nagte sie stetig an ihm und kribbelte in seinen Fingerspitzen.
    Er legte eine Hand auf den baumwollenen Rock direkt unter ihrer Taille. Er fühlte sich griffig an, ganz anders als die Seidenstoffe auf seiner Seite der Grenze, die nur unzulänglich Fall und Funktion der Kleidung der Sterblichen nachahmten. Dieser Stoff hier besaß Gewicht, den seltsamen Zauber von Masse. Trotz seiner Leichtigkeit war einige Anstrengung vonnöten, um den Rock nach oben zu ziehen. Durch seine überraschende Geste geriet die Luft in Bewegung und wehte den süßen, rätselhaften Geruch ihrer Haut zu ihm. Dazu wäre er ohne seine Gestalt, das Geschenk dieses Körpers, nicht in der Lage gewesen.
    Kathleen. Ihre Macht war wirklich beeindruckend. Gefährlich. Du lädst mich ein. Hier bin ich. Du gibst mir eine Gestalt, und für kurze Zeit kann ich die Luft der Sterblichen atmen. Du bittest mich, dich zu lieben, mein Lichtblick, und lässt damit zugleich den tiefsten Wunsch desjenigen wahr werden, der dir diesen Traum erfüllt.
    Als er ihr Kleid hochschob, bebte sie, hob jedoch die Arme, damit er es leicht über ihren Kopf streifen konnte. Die Haut darunter war von reinem Weiß. Sie hatte so

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