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Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
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einen Schauder das Rückgrat hinabjagte. Er war ihr vage bekannt vorgekommen, und als er ihren Handrücken berührte, hatte sie eine prickelnde Vorfreude verspürt. Seine stahlblauen Augen, die zu einem tiefen Mitternachtsblau wechseln konnten, blickten durchdringend; seine Lippen waren dünn wie Rasiermesser, und der leichte Bartschatten auf seinem Kinn unterstrich noch seine Männlichkeit. Wie er das Gesicht zu einem aufreizend schiefen Lächeln verzog, wenn er mit ihr sprach! Ja, der Kerl hatte die Böser-Junge-Masche absolut drauf! Sie hatte ihn auf sein mörderisches Lächeln angesprochen, was ihn amüsierte. Das hätte noch nie jemand zu ihm gesagt, behauptete er und stieß ein leises, kehliges Lachen aus.
    Sie hatte sich vorgestellt, wie er ohne Hemd aussehen würde, wie es sich anfühlen mochte, seine Lippen heiß und drängend auf ihren zu spüren, wie sie mit ihm ins Bett taumelte, während er sie in seinen starken Armen hielt.
    Ja, aber du hast die Bar ohne ihn verlassen, nicht wahr? Und das nur, um hierher zurückzukehren. Allein.
    Natürlich war sie gegangen, schließlich kannte sie ihn gar nicht. Vermutlich war es gut gewesen, rechtzeitig abzuhauen, vor allem in Anbetracht dessen, dass sie sich sowieso schon krank fühlte und morgen früh um fünf vom telefonischen Weckdienst geweckt werden würde – ein Anruf, den sie auf keinen Fall verpassen durfte.
    Ihre Agentin hatte um sieben Ecken einen Casting-Termin für sie organisiert – eine Rolle in einer Serie, die im Herbst auf Fox ausgestrahlt werden sollte. Sie würde gleich morgen früh vorsprechen müssen, und sie hatte vor, so gut dabei auszusehen wie eben möglich. Sie würde sich selbst übertreffen. Wenn ihr diese Rolle durch die Lappen ging, wäre es vorbei … nun, es sei denn, sie würde einen Platz bei
Dancing with the Stars
oder in einer anderen Realityshow ergattern können, die ihre vor sich hin dümpelnde Karriere wieder in Schwung bringen könnte.
    Wenn sie sich nur nicht so elend fühlen würde! Meine Güte, schwitzte sie etwa? Das war gar nicht gut.
    Diese Fernsehserie könnte ihre letzte Chance sein, wenn man Hollywoods Haltung zum Thema Älterwerden bedachte. Was überaus deprimierend war.
    Shelly Bonaventure musste es schaffen, unbedingt. Sie könnte nicht einfach mit eingekniffenem Schwanz in das Hinterwäldlerstädtchen in Montana zurückkehren, dem sie einst den Rücken gekehrt hatte, um hier in L.A. Karriere zu machen. War sie nicht die Ballkönigin der Sycamore Highschool gewesen und in ihrem Abschlussjahr zur verheißungsvollsten Schülerin gewählt worden? Hatte sie nicht alles versucht, um so schnell wie möglich den Kleinstadtstaub abzuschütteln? Und tatsächlich – am Anfang hatte ihr Stern hell geleuchtet, als sie mit ein paar vielversprechenden Nebenrollen zum Firmament aufgestiegen war. Ein Part in einer Seifenoper, noch bevor sie zwanzig geworden war! Und hatte sie etwa nicht mit den beiden Toms gearbeitet – Cruise und Hanks – und mit Gwyneth und Meryl und … sogar mit Brad Pitt? Gut, es waren kleine Rollen gewesen, aber immerhin! Außerdem hatte sie Julia Roberts gedoubelt, und dann war da noch diese Vampirserie auf Kabel gewesen,
Blutige Küsse.
Sie hatte einiges vorzuweisen, aber diese Momente des Ruhms lagen eine Weile zurück, und in letzter Zeit hatte man sie bloß noch als Leiche bei Serien wie
CSI
eingesetzt oder in diversen Werbespots. Ab und an bekam sie auch eine Rolle als Synchronsprecherin in billigen Zeichentrickproduktionen.
    Wenn sie nicht die Estelle in dieser neuen Serie spielen durfte, wäre es endgültig mit ihrer Karriere in Hollywoods B-Liga vorbei, und sie würde geradewegs in einer Realityshow für abgehalfterte C-Ligisten landen. Dieser Gedanke ließ sie erschaudern.
    Hollywood,
dachte sie verzagt,
das Land der durchgesessenen Casting-Sofas und zerbrochenen Träume.
    Eine weitere Schmerzwelle zwang sie beinahe in die Knie. »Allmächtiger«, keuchte sie und taumelte zusammengekrümmt in ihre kleine kombüsenartige Küche, wo sie die Kühlschranktür öffnete, die kärglichen Vorräte betrachtete und eine weitere Welle der Depression aufkommen fühlte. Sie stieß auf eine halb volle Flasche Pepto, schraubte den Verschluss auf und nahm einen Schluck von der zähen, quietschrosa Medizin, die man frei verkäuflich in jedem Drugstore bekam und die so gut gegen Magenbeschwerden half. Mit zittrigen Fingern drehte sie sie wieder zu und stellte sie zurück ins Kühlschrankfach. Dann

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