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Zwischen dir und mir

Zwischen dir und mir

Titel: Zwischen dir und mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lino Munaretto
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für einen Versager halten. Und selbst wenn ich eine Freundin hätte – wenn ich hier raus bin, bin ich bald im Bau. Wenn ich Glück habe nur für ein paar Wochen. Vielleicht für ein paar Monate«, seufzte er und wieder fielen ihm die Augen zu. Eine Weile sagte er nichts. Der Sekundenzeiger der Wanduhr tickte unaufhörlich.
    Alex merkte im schwachen Spiegelbild der Fensterscheibe, dass Justus ihn beobachtete. Doch er starrte weiter auf den Garten der Klinik. »Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe auf dem Parkplatz.«
    Alex nickte nur. »Ist schon okay.«
    Wieder nur Ticken, bis das nächste Wort fiel.
    »Ich hatte eine Scheiß-Angst, dass du stirbst, als die SMS von Mama kam.«
    Diesmal schwieg Justus, bis er sich fasste. »Der Stich in den Bauch, einen Zentimeter weiter rechts und Sie wären tot«, flüsterte er. »Der Stich im Bein, ein paar Zentimeter weiter oben und Sie wären vollständig gelähmt«, sprach er ganz ruhig nach, was der Arzt gesagt hatte.
    Alex wollte sich nichts von all dem vorstellen, also blieb sein Kopf leer, genauso wie diese kahle Wand, auf die er starrte.
    »Ich kann mich noch gut erinnern, wie du gesagt hast, dass du ein Mädchen hast«, sprach Justus mit geschlossenen Lidern weiter.
    »Das ist vorbei.«
    »Hast du sie vorher wenigstens geknallt?«
    »Fresse, gerade hast du selbst gesagt …«
    »Hey, das war Spaß«, unterbrach er ihn. »Warum ist es vorbei?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht ist es das auch nicht …«
    »Du hast aufgegeben?«
    Alex zuckte mit den Schultern.
    Justus schüttelte den Kopf und legte ihn zur Seite: »Weißt du, was wir sind?«, meinte er, während er den Tisch anschaute, auf dem nur seine zerkratzte Rolex und eine Sonnenbrille mit verbogenen Bügeln und gesprungenen Gläsern lag. »Schisser sind wir. Wann haben wir das letzte Mal an etwas geglaubt? Ich kann mich nicht daran erinnern. Wir können doch nicht ewig rumheulen, wegen unserer Eltern, der verdammten Schule oder dem Leben. Leben wir, damit wir es genauso scheiße machen?«
    Alex stellte sich neben Justus’ Bett und betrachtete die blinkenden Geräte und die vor sich hin tropfenden Infusionsbeutel.
    »Wir haben beide jemanden, der uns was bedeutet, aber wir laufen davon, anstatt dass wir darum kämpfen.«
    Das erste Mal hatte Alex das Gefühl, sein großer Bruder hätte was Vernünftiges gesagt.
    »Komm her.«
    Vorsichtig, um an keiner der Kanülen, die in Justus’ Haut steckten, hängenzubleiben, beugte er sich vor und spürte, wie seine Arme sich um ihn schlossen, spürte den Herzschlag, als wäre es seiner.
    »Wann hab ich das das letzte Mal gemacht?«
    »Keine Ahnung. Lange her«, flüsterte Alex.
    »Wurde mal wieder Zeit, Kleiner.«
    Die Tür öffnete sich, Alex löste sich aus der Umarmung und stand neben dem Bett. Beide schauten sie zu der Krankenschwester, die nur zwinkerte, als sie die beiden Geschwister so nebeneinander beobachtete. »Stör ich?«, fragte sie lachend. Es war ein warmes Lachen. Schwarzes volles Haar, mit geradem Pony über den großen kastanienbraunen Augen. Alex schaute zu Justus, der wiederum aussah, als wolle er das Sprechen seinem kleinen Bruder überlassen, während er sie weiter anschaute.
    »Hi«, sagten sie beide etwas verspätet.
    »Hi«, grüßte sie. »Wie wär’s, wenn du mich mit deinem Bruder kurz alleine lässt, ich muss ihm das Bett neu machen und die Medikamente geben.«
    »Na klar«, antwortete er. »Wir sehen uns wieder«, verabschiedete er sich von seinem Bruder, zu dem er sich noch einmal herunterbeugte. Justus bedeutete ihm, dass er noch etwas näher kommen sollte.
    »Ich hoffe es … und wenn nicht, versprich mir, dass du nicht wirst wie die anderen. Und wenn du das nicht schaffst, dann werd wenigstens nicht wie ich.«
    Alex grinste. »Klar, wir sehen uns!«
    Alex ließ seine Mutter, nachdem er ihr kurz gesagt hatte, wie es Justus ging, auf ihrem Platz sitzen und verließ die Intensivstation allein.
    »Entschuldigen Sie.« Alex wandte sich verwirrt um. Die Schwester vom Empfang stand in der Tür, die gerade hinter ihm zugefallen war, und hielt sein Handy in der Hand. »Wollten Sie das etwa hierlassen?«
    »Äh, nein. Danke«, entgegnete er verlegen. Er nahm ihr das Handy ab und steckte es in die Hosentasche. Dann drehte er sich wieder um und setzte seinen Weg fort.
    Die Sonne blendete ihn, als er durch die automatischen Türen ging und ihm ein heißer, drückender Luftschwall entgegenkam. In der gepflegten Parkanlage vor dem großen Portal

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