Herrin auf Kimbara
1. KAPITEL
Brod betrat den Flur der alten Heimstätte, in dem es im Gegensatz zu draußen, wo die Sonne brannte, angenehm schummrig war. Er war verschwitzt und sein Hemd mit Staub-und Grasflecken übersät. Er und seine Männer waren seit dem Morgengrauen auf, weil sie wegen der Trockenheit eine Herde von Egret Creek nach Three Moons, einer Reihe von Wasserlöchern in einigen Meilen Entfernung, hatten treiben müssen.
Da die Tiere besonders störrisch gewesen waren und einige von ihnen ständig versucht hatten, sich von der Herde abzusetzen, war es eine elende Schinderei gewesen.
Jetzt konnte er ein ausgiebiges Bad gebrauchen, doch dafür hatte er keine Zeit, weil es wie immer viel zu tun gab. Heute Nachmittag gegen drei würde der Tierarzt einfliegen, um einen weiteren Teil der Herde zu begutach-ten. Also blieb ihm gerade noch genug Zeit, um ein Sandwich zu essen und eine Tasse Tee zu trinken und zu der Koppel unter den Gummibäumen zurückzukehren.
Nun fiel sein Blick auf die Post auf der Pinienbank, die als Ablage diente. Das hier ist eben nicht Kimbara, dachte Brod mit einem Anflug von Galgenhumor.
Sein Vater residierte auf Kimbara, der prachtvollen alten Heimstätte seiner Jugend. Stewart Kinross. Herr der Wüste. Er überließ es seinem einzigen Sohn, sich um die Herde zu kümmern und sich zu Tode zu schuften, während er den ganzen Ruhm einheimste. Allerdings wussten nicht viele Leute davon. Und mir macht es auch nichts aus, dachte Brod, während er seinen schwarzen Akubra auf den Haken an der Wand warf. Sein Tag würde noch kommen. Er und Ally besaßen einen beträchtlichen Anteil an den diversen Unternehmen der Familie, von denen Kimbara, das Flaggschiff ihrer Rinderfarmen, das Prunkstück war.
Dafür hatte ihr berühmter Großvater schon gesorgt, denn er hatte seinen Sohn Stewart gekannt. Andrew Kinross weilte nun schon lange nicht mehr unter ihnen, und er, Brod, lebte seit fünf Jahren fast wie ein Ausgesto-
ßener auf Marlu – seit Ally nach Sydney zurückgekehrt war, nachdem ihre leidenschaftliche Romanze mit Rafe Cameron geendet hatte.
Damals hatte Alison gesagt, sie wolle ihr Glück als Schauspielerin versuchen, wie ihre berühmte Tante Fee, die mit achtzehn von zu Hause weggegangen sei, um in London Karriere auf der Bühne zu machen. Und sie hatte es tatsächlich geschafft, obwohl sie ein ausschweifendes Liebesleben geführt hatte. Jetzt lebte sie wieder auf Kimbara und schrieb an ihren Memoiren.
Fee war eine echte Persönlichkeit, zu berühmt, um als das schwarze Schaf der Familie zu gelten, doch sie hatte zwei gescheiterte Ehen hinter sich. Aus einer dieser Ehen hatte sie eine Tochter, Lady Francesca de Lyle, eine echte englische Schönheit. Sie war seine und Allys Cousine und, soweit sie sie kannten, ebenso nett wie schön.
Jetzt erzählte Fee ihre Lebensgeschichte einer gewissen Rebecca Hunt, einer jungen, preisgekrönten Journalistin aus Sydney, die bereits die Biografie einer bekannten australischen Diva verfasst hatte, und das mit großen Erfolg.
Allein der Gedanke an Rebecca entzündete eine gefährliche Flamme in ihm. So viel Macht hat also das Äußere einer Frau, dachte Brod verächtlich, denn er traute ihr nicht über den Weg. Sie hatte seidiges schwarzes Haar, ein zartes, ebenmäßiges Gesicht und einen verführerischen Mund. Sie war viel zu perfekt für ihn. Er lachte unwillkürlich, und das Sonnenlicht, das in den Flur fiel, ließ sein attraktives Gesicht viel härter erscheinen. Ja, Miss Hunt war in Wirklichkeit nur eine von vielen sehr ehrgeizigen Frauen.
Es war nicht sein Vater, der sie faszinierte. Sein Vater war zwar attraktiv, denn er sah wesentlich jünger aus als fünfundfünfzig, war selbstsicher, kultiviert und schwerreich. Nein, es war die wilde Schönheit von Kimbara, die Miss Hunt interessierte. Ein Blick in ihre hinreißenden grauen Augen, und er, Brod, hatte gleich gewusst, dass sie ihre viel versprechende Karriere sofort sausen lassen würde, um Herrin von Kimbara zu werden. Sie konnte alles haben, solange sein Vater noch lebte. Danach war er, Brod, an der Reihe.
Traditionsgemäß wurde Kimbara, der alte Sitz der Familie, immer von Vater an seinen erstgeborenen Sohn vererbt. Und keiner der Söhne hatte je zugunsten eines Bruders darauf verzichtet. Nur Andrew Kinross war nicht der Erstgeborene gewesen, doch im Gegensatz zu ihm hatte sein älterer Bruder James den Zweiten Weltkrieg nicht überlebt.
Brod schüttelte traurig den Kopf, nahm die Post von der
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