Zwischen Ehre und Verlangen
heuchelnd.
“Schon gut”, sagte Amanda großmütig.
“Darf ich Sie etwas fragen?” erkundigte Diana sich und zog Mrs. Clare beiseite.
“Bitte!”
“Mein Vater besteht darauf, dass ich den achtundzwanzig Jahre älteren Lord Langham heirate”, begann Diana zögernd. “Er steht dort drüben neben der Dame in der weißen Balltoilette.”
Amanda blickte in die angegebene Richtung und fand den aufgeschwemmten, verlebten Lord Langham auf Anhieb unsympathisch. “Wenn Sie ihn nicht mögen, sollten Sie sich auch nicht mit ihm vermählen”, riet sie Miss Poste.
“Mein Interesse gilt dem Earl of Severn”, log Diana dreist. “Sie kennen ihn, wie ich mich erinnere.”
“Ja. Lieben Sie ihn?” überwand Amanda sich zu fragen.
“Ja. Was soll ich nun tun?”
“Erklären Sie die Sachlage Ihrem Vater. Ich könnte mir vorstellen, dass er mehr mit Lord Severn einverstanden ist als mit Lord Langham.”
“Das Gegenteil ist der Fall”, bekannte Diana. “Lord Severn hat ihn in der vergangenen Woche sehr verärgert, und außerdem wird er von Lord Langham irgendwie unter Druck gesetzt.”
“Er kann Sie nicht zwingen, Lord Langham zu heiraten!”
“Vorsicht, Madam!”, äußerte Diana hastig. “Lord Severn kommt zu uns.”
“Guten Abend, die Damen”, begrüßte Jared sie. “Wäre es nicht besser, meine liebe Diana, bei Miss Woodley zu bleiben? Würden Sie mir die Ehre geben, mit mir zu tanzen?” wandte er sich dann an Mrs. Clare.
Erbost sah Diana ihn an.
“Es war mir ein Vergnügen, Miss Poste”, sagte Amanda höflich. “Nein, Sir”, fügte sie hinzu. “Heute Abend bin ich nicht zum Tanzen aufgelegt.”
“Nun, das lässt sich ändern”, meinte er unbeeindruckt, legte ihr den Arm um die Taille und ergriff ihre rechte Hand.
Ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte er sich mit ihr auf das Parkett bewegt und sie in den Walzerrhythmus gezogen. Sie war genötigt, sich hastig seinen Schritten anzupassen, um nicht zu stolpern. “Sie sind unverschämt, Sir!”, zischte sie ihn an.
“Ich sehe es nicht gern, wenn Sie sich mit Miss Poste unterhalten”, sagte er ernst.
“Sie haben sich soeben sehr ungehörig zu ihr benommen”, tadelte Amanda ihn. “Und nicht nur zu ihr! Wie können Sie es wagen, mich derart anmaßend auf die Tanzfläche zu zerren?”
“Ich habe lediglich vor, mich mit Ihnen zum anderen Ende des Ballsaals zu bewegen und Sie dort Ihrem Verehrer und seiner Mutter zu übergeben”, antwortete Jared gleichmütig.
Amanda verzichtete darauf, ihm zu sagen, dass Lord Oughton und sie nur gute Bekannte waren, da sie nicht gewillt war, ihm weiterhin persönliche Dinge anzuvertrauen.
“Sie leugnen also nicht, dass James Ihnen den Hof macht”, fuhr Jared verstimmt fort. “Alle Achtung! Sie haben ihn sehr schnell für sich eingenommen!”
“Sie vergessen sich, Mylord!”, herrschte Amanda ihn leise an und wünschte sich, er möge sie endlich loslassen und gehen.
Lady Oughton beobachtete Severn und Mrs. Clare und äußerte nach einer Weile trocken: “So also liegen die Dinge, James! Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dein Freund und Mrs. Clare ein Faible füreinander haben.”
“Wie kommst du darauf?” fragte James verdutzt.
“Man müsste blind sein, um das nicht zu sehen”, antwortete die Viscountess schmunzelnd. “So, wie die beiden miteinander tanzen, bleibt kein anderer Schluss übrig. Und wie beseligt Mrs. Clare die Augen geschlossen hat!”
“Ich habe von Anfang an geahnt, dass es mehr zwischen den beiden gibt, als auf den ersten Blick zu erkennen ist”, murmelte James. “In Holkham Hall habe ich angedeutet, dass Jared an Miss Poste interessiert ist, doch nun hat es den Anschein, dass dieses Gerücht nicht auf Wahrheit beruht. Hoffentlich habe ich mit dieser Bemerkung kein Unheil angerichtet. Gleichviel, wenn das zu Spannungen zwischen Jared und Mrs. Clare geführt haben sollte, müssen beide die Sache unter sich klären. Es hätte keinen Sinn, wenn ich mich einschalte.” Er hielt inne, weil der Walzer zu Ende war und er den Freund mit Mrs. Clare auf sich zukommen sah.
Bei Lady Oughton und ihrem Sohn angekommen, verneigte Jared sich vor Mrs. Clare und Ihrer Ladyschaft, lächelte anzüglich James an und mischte sich wieder unter die Ballgäste.
Auch der Viscount entschuldigte sich und verschwand im Gedränge.
“Sie kennen Severn?” fragte Lady Oughton.
“Ja, wir sind uns in Holkham Hall begegnet”, antwortete Amanda, da das keine Lüge war.
“Es ist
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