Zwischen Ehre und Verlangen
ebenfalls Platz und schaute besorgt die Freundin an.
“Ich habe … Ja…red getroffen”, stammelte Amanda und brach in Tränen aus. “Beim Pa…villon! Er … er hat sich sehr … unschön … zu mir benommen und … und mich dann … geküsst! Ich hasse ihn!”
Erschrocken ging Jane zu ihr und strich ihr beruhigend über den Rücken. “Nicht weinen!”, sagte sie besänftigend. “So schlimm kann es doch nicht sein!”
“Doch!”, widersprach Amanda, zog das Taschentuch hervor und trocknete sich die nassen Wangen ab. “Ich benehme mich so unmöglich wie Kate!”, fügte sie schniefend hinzu.
“Was soll das heißen?” fragte Jane bestürzt. “Hast du dich … Bist du …?”
“Nein, ich bin nicht guter Hoffnung”, antwortete Amanda kopfschüttelnd und schneuzte sich. “Ich wollte damit sagen, dass ich mich jetzt so gehen lasse wie seinerzeit Kate, als sie so fürchterlich heulte.”
“Nun erzähl mir doch endlich, was passiert ist!”, äußerte Jane drängend. “Lord Severn hat dich in aller Öffentlichkeit geküsst? Das ist unfassbar! Wie konnte es dazu kommen?”
“Ich bin in den Park des königlichen Pavillons gegangen”, begann Amanda düster, “und dort unversehens Jared begegnet. Er schien nicht erbaut darüber gewesen zu sein, dass ich in Brighton bin. Wir haben uns gestritten, und er wollte wissen, ob ich Miss Poste wiedergesehen habe. Ich weiß nicht, ob sie hier ist, nehme es jedoch an. Jedenfalls habe ich den Eindruck gewonnen, dass es ihm lieber wäre, ich würde die Stadt verlassen.”
“Das kann er nicht von dir erwarten”, warf Jane befremdet ein.
“Ich glaube, er befürchtet, ich könne Miss Poste gegenüber anzügliche Andeutungen machen, falls wir uns über den Weg laufen sollten”, murmelte Amanda. “Wie demütigend, dass der Mann, den ich liebe, mich einer solchen Niedertracht für fähig hält!”
“Vorhin hast du gesagt, du würdest ihn hassen”, hielt Jane der Freundin vor.
“Ich weiß nicht, wie ich jetzt zu ihm stehe”, flüsterte Amanda. “Plötzlich hat er mich an sich gezogen und geküsst …”
“Hat jemand euch dabei gesehen?” unterbrach Jane entsetzt.
“Nein, ich glaube nicht”, antwortete Amanda trüb. “Maria war zum Glück ein Stück zurückgeblieben und hat irgendeine Statuengruppe betrachtet, und andere Leute waren nicht auf der Allee, wie ich später feststellte. Ich begreife mich nicht”, setzte sie seufzend hinzu.
“Wie soll ich das verstehen?”
“Ich habe den Kuss genossen”, antwortete Amanda ehrlich, “und … und … großes Verlangen nach Jared empfunden. Ich liebe ihn immer noch, Jane. Es hätte keinen Sinn, das zu verleugnen. Oh, was soll ich tun, wenn ich hier wirklich mit Miss Poste zusammentreffe?”
“Sei so höflich zu ihr, wie es dir möglich ist”, riet Jane der Freundin.
“Irgendwie tut sie mir leid”, murmelte Amanda. “In meinen Augen ist sie zwar nur ein verzogenes Kind, aber sie hat es nicht verdient, mit diesem alten Mann – ich meine Lord Langham – vermählt zu werden, der, wie Jared einmal sagte, einen so miserablen Ruf hat. Es muss furchtbar für sie sein, dass ihr Vater diese Verbindung unterstützt. Ich frage mich, ob sie niemanden hat, der Partei für sie ergreift.”
“Du kannst das doch nicht tun!”, äußerte Jane bestürzt. “Dann würdest du nur dazu beitragen, dass sie Lord Severn heiratet.”
“Mich will er ja nicht haben”, erwiderte Amanda kläglich.
Amanda bemühte sich, so gefasst wie möglich zu wirken, als Lady Oughton ihr unerwartet die Aufwartung machte.
“Sie sehen arg mitgenommen aus, Mrs. Clare”, stellte die Viscountess mitleidig fest. “Die Reise hierher hat Sie offensichtlich sehr angestrengt. Sie hätten sich heute Vormittag ausruhen und nicht in die Stadt gehen sollen.”
“Ich fühle mich tatsächlich nicht wohl”, räumte Amanda ehrlich ein.
“Das mag am Klimawechsel liegen”, vermutete Cecile. “Sie können beruhigt sein. Nach einigen Tagen hat man sich an die frische Meeresluft gewöhnt. Und dann wird es Ihnen Freude machen, am geselligen Leben teilzunehmen. Ich werde unsere Namen in den Gästebüchern Seiner königlichen Hoheit und des Kurhauses eintragen. Ich rechne zwar nicht damit, dass wir zum Prinzregenten gebeten werden, aber man kann nie wissen. In jedem Fall möchte ich dafür sorgen, dass man von unserer Anwesenheit hier weiß, um uns so die Möglichkeit zu verschaffen, von anderen in der Stadt weilenden vornehmen Gästen eingeladen
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