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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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mit
will
drückt im Englischen einen spontanen Entschluss, eine Vermutung oder ein nicht beeinflussbares Geschehen in der Zukunft aus«, liest er vor. Der Ring in seiner Unterlippe bewegt sich mit, und ich widerstehe nur knapp dem Drang, ihn zu berühren.
    Stattdessen nicke ich sehr entschlossen, als er wieder hochsieht, schließlich will ich nicht als völlig begriffsstutzig dastehen.
    »Entschluss ist zum Beispiel ›I will help you‹, Vermutung ›He will probably come‹ und Zukunft ›It will rain tomorrow‹. Das ist klar, oder?«
    Absolut. It will rain. Könnte nicht klarer sein.
    Er lächelt, sieht wieder nach unten. »Und jetzt die Sätze. Ich lese dir drei Wörter vor, die du in einen Satz umwandeln musst, und zwar einmal positiv, einmal negativ und einmal als Frage.«
    O Gott, ich komme mir vor wie bei der Eine-Million-Euro-Frage und weiß nichts mehr in Englisch, aber auch gar nichts. Mein Gehirn ist wie leergefegt.
    »Harry, cause, trouble«, sagt Niki.
    »Harry?«, frage ich heiser.
    Niki lächelt. »Hier steht Harry. Wir können ihn auch anders nennen, wenn du willst.«
    »Nein, nein, Harry ist gut«, nicke ich entschlossen. »Also Harry.« Ich kann nicht denken, ich kann nicht denken. Ich kann nur daran denken, dass ich nicht denken kann.
    »Harry, cause, trouble«, wiederholt Niki.
    »You too«, sage ich spontan. Ich will ihn nicht ärgern, oder so. Wahrscheinlich will ich nur von meinen unterirdischen Englischkenntnissen ablenken.
    Niki runzelt die Stirn. »Me? Also gut, ändern wir den Namen eben doch. Harry ist raus aus dem Spiel. Niki causes trouble.«
    »Ja.« Ich nicke.
    »Why?«
    »Ich weiß es nicht. Sag du es mir.«
    Niki lehnt sich zurück. Er betrachtet mich, und die Wärme aus seinem Blick ist verschwunden. Es dauert eine ganze Weile, bis er mir antwortet, und in der Zeit vereise ich innerlich unter diesem Blick. »Warum«, sagt er langsam, »warum fragst du nicht einfach meinen ehemaligen besten Freund? Ihr scheint doch keine Geheimnisse voreinander zu haben.«
    Felix? Etwa Felix? Ich mache den Mund auf, um Niki danach zu fragen, doch er hat sich schon weggedreht. Sieht so aus, als wären das
will-future
und ich auf uns allein gestellt.
     
    Wir haben uns ins Café verzogen. Das
Marco
liegt genau auf der Grenze zwischen ›meinem‹ Neubaugebiet und Felix’ Wohngegend, und das macht mich ein wenig nervös. Allerdings ist es so teuer und so aufgemotzt, dass sich aus ›unserem‹ Block wohl eh nur die wenigsten hierhertrauen.
    Es war anscheinend früher einmal ein ganz normales Eiscafé mit langer Theke quer durch den Raum und einer Galerie mit Tischen im ersten Stock: Der altmodische Handlauf verrät es. Das und die überdimensionale Lampe, die früher altmodisch, jetzt einfach retro ist. Oben gibt es eine kleinere Bar, die abends offen ist, und Sitzgruppen aus goldenem und rotem Plüsch. An der Wand hängt Maria Callas, dies eingefärbte Bild von ihr, mit den roten Lippen und der gelben Haut. Die Theke unten ist goldfarben mit roten Lederhockern davor, Mittelpunkt ist die überdimensionale, an ein Raumschiff erinnernde Espressomaschine. Vor der aufklappbaren Fensterfront stehen Vierertische, die Loungesessel im hinteren Bereich und unter der Treppe sind meist besetzt. Auf den beiden Flachbildschirmen rechts und links der Bar knistern Fernsehflammen, an manchen Tagen zeigen sie Fische. Und natürlich gibt es auch hier auf der Terrasse diese dunklen, Korbgeflecht imitierenden Outdoor-Möbel mit hellen Polstern, die man jetzt überall in der Stadt sieht, praktischerweise gleich mit den dazu passenden Wolldecken.
    Wir haben uns nach drinnen gesetzt. Ich habe mir Kaffee bestellt, so wie Felix, obwohl ich lieber ein Eis gehabt hätte. Eis kommt mir kindisch vor. Und diesen Milchkaffee kriegt man runter. Mit einer Menge Zucker, versteht sich.
    Felix hat einen Cappuccino vor sich stehen. Er hat sich vorgebeugt und dreht eine Strähne meines Haars mit seinem Finger auf. »Habe ich dir schon gesagt, dass ich total auf blonde Haare abfahre und du einfach umwerfend aussiehst?«
    »Äh, nein.« Ich lecke den Löffel ab. Komplimente machen es schwierig, den Übergang zu finden. Ich will schließlich noch etwas über Niki herausfinden. Deswegen bin ich hier.
    »Tust du aber. Du siehst umwerfend aus.«
    »Du auch.«
    »Ich meine es ernst.«
    »Ich auch.« Sackgasse. ›Und apropos gutaussehen: Was ist eigentlich mit Niki los‹ geht ja nun gar nicht. Ich trinke einen Schluck und verbrenne mir fast

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