Zwischen Ewig und Jetzt
die Zunge. Gott sei Dank kommt Felix ganz von selbst auf das Thema.
»Und hast du die Englischstunde einigermaßen überstanden?«
»Was meinst du?«
»
Will-future
. Und dann auch noch in Teamarbeit.«
Ich stelle die Tasse ab. »Meinst du, ob ich die Zusammenarbeit mit deinem ehemaligen besten Freund Niki überstanden habe oder ob ich begriffen habe, was das
will-future
will?«
Felix lässt mein Haar los, lehnt sich zurück. »Eher Ersteres.« Er beobachtet mich aufmerksam.
Felix hat auch schöne Augen, wirklich. Grau mit einer Spur ins Blaue. Er hat blonde, strubbelige Haare, für die er jeden Morgen garantiert eine halbe Stunde im Badezimmer braucht, um sie so gekonnt in Unordnung zu bringen. Deswegen hasst er es auch, wenn man ihnen zu nahe kommt. Er ist immer noch braun gebrannt, weil er mit seinen Eltern in den Osterferien auf Mauritius war. Er ist sportlich. Er ist schlau. Und er ist mein Freund. Also lächele ich ihn an. »Was ist denn so schlimm an diesem Niki? Auf mich wirkt er ganz normal.«
Felix greift nach seiner Tasse, trinkt einen Schluck, setzt sie wieder ab und schiebt sie von sich. Das Porzellan schabt über den Holztisch. »Er ist verrückt. Niemand will etwas mit ihm zu tun haben.«
»Ja, das hast du mir schon einmal erzählt.« Meine Stimme klingt ungeduldig. »Ich will jetzt endlich wissen, was los war. Ihr wart mal befreundet?«
Felix überlegt. Wahrscheinlich wägt er ab, ob er die Geschichte nun preisgeben kann oder nicht. Dann seufzt er. »Na gut. Irgendwann wirst du es ja doch erfahren. Niki war mein bester Freund. Schon immer. Seit ich denken kann. Wir sind zusammen aufgewachsen, weil seine Mutter und meine Mutter in die gleiche Kirche gegangen sind. Haben im Sandkasten zusammen gespielt.« Felix schweigt kurz, als müsse er seine Gedanken sortieren. Seine Augen bekommen einen glasigen Blick. Dann schüttelt er den Kopf. »Wir haben also zusammen gespielt. Waren unzertrennlich, von der ersten Minute an, als wir klein waren. Auch im Kindergarten nicht voneinander loszueisen.« Wieder diese kurze Pause. Sein Blick wird finster. »Niki ist ein Jahr eher eingeschult worden, weil er älter ist, und das hat mich fertiggemacht. Die Grundschule war gleich nebenan, und ich konnte ihn in den Pausen sehen. Ständig bin ich abgehauen und rüber zu den ›Großen‹.« Er lacht. »Mann, wie habe ich ihn vermisst. Niki allerdings hatte sofort Freunde. Er war sehr beliebt.« Felix wirft mir einen vielsagenden Blick zu. »Das war schon immer so.«
Ich nicke. »Und weiter? Was ist passiert?«
»Ich bin auch eingeschult worden. Immer schön eine Klasse tiefer. In den Pausen hat er mich mitspielen lassen und auf mich aufgepasst. Er war immer noch mein bester Freund, aber wie gesagt, er selbst hatte viele Freunde. Ich musste mich ständig irgendwie …« Er sucht nach dem richtigen Wort. »Einreihen«, sagt er dann.
Ich nicke. Kann mir vorstellen, dass es ihm schwergefallen ist, nicht mehr die Nummer Eins zu sein wie bei seinen Eltern. Nicht, dass ich die kennen würde: Ich stelle es mir nur vor. Der kleine, strubbelige Felix. Wie er dem älteren Niki hinterherläuft. »Und dann?«
»Dann ist er aufs Gymnasium gegangen, und wieder war ich ein Jahr allein. Doch da ist etwas passiert. Etwas, das er mir erst viel später erzählt hat. Als ich nach einem Jahr auch dorthin wechselte, war er ein anderer Mensch. Ruhig, verschlossen. Er blieb lieber für sich, ließ niemanden an sich heran. Bis ich kam.« Felix zieht seine Tasse wieder heran und trinkt seinen Cappuccino aus. Fast gleichzeitig winkt er dem Kellner und bestellt sich einen neuen. Auf Italienisch, obwohl ich ehrlich gesagt glaube, dass der Kellner Türke ist. »Du auch noch was?«
»Könnte ich bitte eine Kugel Eis haben? Schokolade«, bestelle ich und werfe einen angewiderten Blick in den Riesenpott Kaffee. Selbst mit Zucker schmeckt der inzwischen grässlich, und ich könnte was zu essen vertragen.
»È tutto«, sagt Felix mit einer ungeduldigen Handbewegung.
Ich lächele den Kellner entschuldigend an.
Felix fährt fort mit seiner Erzählung, als hätte es keine Unterbrechung gegeben. »Er hat mich erkannt, anders kann ich es nicht ausdrücken. Als seien wir immer noch die besten Freunde, obwohl wir uns fast ein Jahr nur noch selten gesehen hatten. Als sei ich seine Rettung, oder so. Ich meine, ich war immer der Jüngere, und jetzt auf einmal das. Niki war allein, seine Noten waren mies, die Lehrer überlegten schon, ob er nicht
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