Zwischen Mond und Versprechen
musste ich zugeben, dass er etwas– Undefinierbares – an sich hatte.
Ich erhaschte einen Blick von Derek, der mit seinen Football-Kumpels vorbeischlenderte. Er warf mir einen Blick zu, bei dem mein Herz fast stehen blieb. Aber ich wusste immer noch nicht, was er zu bedeuten hatte. Vielleicht war das der springende Punkt, wenn man einen Schwarm hatte: Man verstand ihn nicht.
Pietr schnappte sich den Stundenplan aus meiner Hand. Seine Finger streiften dabei meine und rissen mich aus meinen Überlegungen. Dort, wo er mich berührt hatte, kribbelte meine Hand genauso wie an jenem verregneten Frühlingstag, als ich mich endlich getraut hatte, Monroes Elektrozaun anzufassen. Ich hätte nie gedacht, dass die Berührung eines anderen Menschen, die Nerven unter meiner Haut zum Schwirren und Tanzen bringen könnte. Es war, als hätte ich die vergangenen Monate in einem Dornröschenschlaf verbracht und würde nun, plötzlich, aufwachen.
3
W ir haben nur dreißig Minuten Zeit « , meinte er, während ich das Kribbeln aus meiner Hand wegmassierte. Er sah auf die Uhr und reichte mir den Stundenplan zurück. » Neunundzwanzig Minuten. Vielleicht findet sich an deinem normalerweise voll besetzten Tisch heute eine Lücke. «
Ich verzog den Mund bei dieser Vorstellung und führte Pietr und seine Meute zu der wuseligen Masse aus Teenagerkörpern, auch Warteschlange für die Essensausgabe genannt.
In Anbetracht ihrer Länge, bewegte sich die Warteschlange einigermaßen flüssig voran. Es gelang mir, mich von Pietr abzuseilen, indem ich mich hinter ein paar seiner Verehrerinnen verzog. Während ich anstand, machte ich mir über Derek Gedanken– dieselben Gedanken, die ich mir in den vergangenen zwei Jahren fast jede Minute gemacht hatte.
Ich war schon in der neunten und in der zehnten Klasse von Derek besessen gewesen, aber er hatte mich nicht einmal wahrgenommen. Ich überlegte, was sich geändert haben könnte, und sah auf meine Hände hinab, wobei mein Blick auch meine Brüste streifte. Ja, die hatten sich ziemlich verändert, stellte ich fest und wurde knallrot. In der zehnten Klasse war ich noch flach wie ein Brett gewesen, doch in den Sommerferien knospten, nein, ploppten sie förmlich raus. Ich zog meinen Schmeichelstein aus der Tasche und rieb ihn.
Lag es also daran? Waren nur meine, äh, Wachstumsschübe der Grund für Dereks Aufmerksamkeit? Ich schob diesen Gedanken schnell beiseite. Bestimmt gab es noch anderes an mir, das ihm aufgefallen war.
Mit Jenny, dieser Primadonna, hatte er Schluss gemacht… Jeder wusste, dass sie nur aus Blondierung, Make-up und ein paar ordentlichen Push-ups bestand. Vielleicht hatte Derek gemerkt, dass er mehr wollte– jemanden mit Grips. Aber in meinem Kopf flüsterte irgendwo eine Stimme: Ist es wichtig, warum er sich für dich interessiert? Sei froh, dass er sich überhaupt interessiert!
Mein Tablett schepperte laut, als es an die Absperrung stieß, hinter der die dampfenden Tröge standen, die das enthielten, was in der Junction High als Essen durchgeht. Ein Gemisch aus Gerüchen waberte vor meiner Nase– Makkaroni und Pizza, Hacksteak und Hackbraten, Fleischpastete, zerkochte Erbsen und gummiartige Möhren… eine Übelkeit erregende Mischung aus minderwertiger Nahrung. Ich nahm mir einen fragwürdig aussehenden Salatteller und einen Joghurt, blieb kurz stehen, um das Datum zu prüfen– der Verfall stand kurz bevor, aber wenigstens blieb uns, dem Joghurt und mir, noch der heutige Tag.
Ich schob mein Tablett zum Ende des Tresens, wo Madge hinter der Kasse saß. Ihr Haarnetz war straff über ihre knallroten Haare gezogen und presste ihre fleischigen Ohren an den Kopf, was ihr das Aussehen eines Schinkens verlieh. Sie wog den Inhalt meines Tellers und verkündete den Preis.
» Kommst du heute auch ins Tierheim? « , fragte ich beim Zahlen.
» Na klar, mein Nebenjob. Ich bring einen neuen kleinen Helfer mit. « Sie grinste.
» Cool « , erwiderte ich. Einen Augenblick später hatte ich die Speisesauna hinter mir gelassen und eilte zu meinem Tisch, um mit meinen Freundinnen die Sache mit Derek zu besprechen. Pietr hatte ich schon ganz vergessen.
Ungeduldig setzte ich mein Tablett ab und quetschte mich zwischen Amy und Sarah auf die Bank. Sarah ließ ihr Buch sinken, eine Ausgabe von Verstand und Gefühl von Jane Austen. Sie lächelte mich aufmunternd an.
Ich stocherte mit dem Löffel in meinem Joghurt herum und erläuterte den anderen mein Dilemma. » Ich kapiere das einfach
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