Zwischen Sehnsucht und Verlangen
ich kaum. Die MacKades sind doch schon immer eine Bande von Lügnern und Betrügern gewesen.”
Shane setzte bereits zum Sprung an, doch Rafe hielt ihn zurück. „Er hat mit mir gesprochen”, sagte er ruhig und sah seinem jüngeren Bruder einen Moment zwingend in die Augen, bevor er sich umwandte. „Oder irre ich mich da, Joe? Du hast doch mit mir gesprochen, oder?”
„Ich hab mit euch allen gesprochen.” Während er seine Bierflasche wieder an die Lippen setzte, glitt Joes Blick über die vier MacKades. Erst über Shane, den Jüngsten, der zwar durchtrainiert war von der Arbeit auf der Farm, aber noch immer eher aussah wie ein Junge, dann über Devin, dessen verschlossener Gesichtsausdruck nichts preisgab. Jared stand lässig gegen die Musikbox gelehnt und war ganz offensichtlich gespannt auf das, was als Nächstes geschah.
Joes Blick wanderte wieder zu Rafe zurück, dem die ungezügelte Wut aus den Augen leuchtete. „Aber wenn du meinst, dann hab ich eben mit dir geredet. Du bist doch sowieso die größte Niete von euch allen, Rafe.”
„Findest du, ja?” Rafe nahm die Zigarette aus dem Mund, drückte sie aus und nahm gelassen einen langen, genießerischen Schluck von seinem Bier. Es wirkte wie ein Ritual, das er absolvierte, bevor die Schlacht begann. Die übrigen Gäste verrenkten sich fast die Hälse, um besser zu sehen, was vor sich ging. „Und wie läuft’s in der Fabrik, Joe?”
„Immerhin krieg ich jeden Monat Kohle auf die Kralle, um meine Miete bezahlen zu können”, erwiderte Joe aggressiv. „Mir will niemand das Haus unterm Hintern wegziehen.”
„Zumindest nicht, solange deine Frau bereit ist, in Zwölfstundenschichten Tabletts zu schleppen.”
„Halt’s Maul. Meine Frau geht dich gar nichts an. Ich bin der, der das Geld nach Haus bringt. Ich brauch keine Frau, die mir Geld gibt, so wie das bei deinem Dad und deiner Mama war. Er hat doch ihre ganze Erbschaft durchgebracht und ist dann auch noch vor ihr gestorben.”
„Stimmt, er starb vor ihr.” Wut und Trauer kochten in Rafe hoch und drohten ihn hinwegzuschwemmen. „Aber er hat sie nie geschlagen. Sie jedenfalls hat es niemals nötig gehabt, ihre Augen hinter einer Sonnenbrille zu verstecken, damit man die blauen Flecke nicht sieht. Sie musste auch niemandem erzählen, dass sie wieder mal die Treppe runtergefallen ist.
Jeder weiß aber, dass das Einzige, worüber deine Mutter jemals gestürzt ist, die Faust deines Vaters war, Joe.”
Mit einem Krachen, dass die Flaschen auf dem Regal über der Theke klirrten, setzte Joe seine Bierflasche auf dem Tresen ab. „Das ist eine dreckige Lüge! Ich ramm sie dir in deinen dreckigen Hals zurück, damit du dran erstickst!”
„Versuch’s doch.”
„Er ist besoffen, Rafe”, murmelte Jared.
Rafe sah seinen Bruder an. Seine Augen sprühten gefährliche Funken.
„Na und?”
„Ist keine große Kunst, ihm in diesem Zustand die Fresse zu polieren.
Damit machst du bestimmt keinen Punkt.” Jared hob eine Schulter. „Lass gut sein, der Kerl ist doch den ganzen Aufwand gar nicht wert, Rafe.”
Doch Rafe ging es gar nicht darum, einen Punkt zu machen. Er brauchte jetzt einfach den Kampf. Langsam hob er seinen Queue, unterzog die Spitze einer ausgiebigen Betrachtung und legte ihn dann quer über den Billardtisch. „Du willst dich also mit mir anlegen, Joe.”
„Nicht hier drin.” Obwohl ihm klar war, dass sein Protest zwecklos war, machte Duff eine Bewegung mit dem Daumen hin zum Telefon, das an der Wand hing. „Wenn ihr Ärger macht, ruf ich auf der Stelle den Sheriff an.
Dann könnt ihr euch im Knast abkühlen.”
„Lass bloß deine verfluchten Finger vom Telefon.” Rafes Augen glitzerten kalt und angriffslustig, doch der Barkeeper, der Erfahrung mit Raufbolden hatte, blieb standhaft.
„Ihr geht sofort nach draußen”, wiederholte er.
„Aber nur du gegen mich”, verlangte Joe und starrte die übrigen MacKades finster an, während er seine Hände bereits zu Fäusten ballte.
„Nicht dass mir die anderen dann noch zusätzlich in den Rücken fallen.”
„Mit dir werde ich schon noch allein fertig.” Wie um es zu beweisen, landete Rafe sofort, nachdem sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, mit seiner Rechten einen Kinnhaken, der es in sich hatte. Beim Anblick des dicken Bluttropfens, der sich auf Joes Unterlippe bildete, verspürte er eine grimmige Befriedigung.
Er hätte nicht einmal genau sagen können, warum er diesen Kampf gewollt hatte. Joe bedeutete
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