Zwischen sieben und zwölf Uhr
dem Hause, vor dem ich stand, zu treffen. Allein so lieb mir das im Interesse des jungen Paares gewesen wäre, so war mir selbst dadurch wenig gedient; denn wenn sich die Juwelen nicht in ihren Händen befanden, wo steckten sie alsdann? Zurzeit jedenfalls nicht mehr im Winchesterschen Hause, davon war ich überzeugt.
So war es mir keineswegs leicht ums Herz, als ich die Klingel zog und, wiederum von Herrn Winchester empfangen, abermals die Räume betrat, die ein solches dunkles Geheimnis bargen.
Wir sind bereits zurück, waren seine eiligen Worte, die er mit fieberhafter Heftigkeit hervorstieß. Und Sie? Haben Sie die Steine?
Ich schüttelte den Kopf und trat eilig hinter ihm in das Empfangszimmer.
Aber Sie sind ihm nachgegangen? Sie wissen, wo er ist? Und Philippa? Was veranlaßte sie, gleichfalls auszugehen?
Warten Sie, sagte ich, sind sie schon zurück?
Wer? Lawrence und Philippa?
Jawohl.
Nein.
Dann fürchte ich, sie kommen auch nicht.
Sie? Warum nennen Sie die Namen der beiden zusammen?
Ich wurde der Antwort überhoben. Ich vernahm in diesem Augenblick draußen das wohlbekannte Zeichen meines Kollegen und gleichzeitig mit diesem ermutigenden Laut ein Geräusch des Schlüssels an der Haustür, das Herrn Suttons Rückkehr ankündigte.
Nein, rief ich, da sind sie, und da ich sicher bin, daß sie Ihnen eine Mitteilung zu machen haben, bei der die Gegenwart eines Fremden sie in Verlegenheit bringen würde, so will ich mich schnell für einen Augenblick zurückziehen. Damit faßte ich nach der Portiere hinter mir, schlug sie zur Seite und trat in den dunkeln Raum dahinter.
Herr Winchester machte keinen Versuch, mich zurückzuhalten; er war zu sehr erstaunt über den Anblick seines Stiefsohnes, der Philippa am Arm führend eintrat. Und ich, der ich ohne Ueberlegung in das nächste beste Versteck hineingestolpert war, das ich erspähen konnte, war ebenso überrascht, nicht über das, was ich sah, sondern über den Raum, worin ich mich befand; denn die Portiere schloß nicht etwa ein Zimmer ab, sondern verdeckte nur einen kleinen Nebenraum, und ich sah mich nun inmitten eines Haufens von Gerümpel und alten Bildern, wo ichStellung nahm, um zu hören und zu sehen, was da kommen sollte.
Vater – es war Herr Sutton, der sprach – willst du die Mutter herunterkommen lassen? Ich möchte ihr etwas sagen, ehe ich etwas anderes in diesem Hause tue.
Aber – aber, das geht doch deine Mutter nichts an, warf Herr Winchester eilig und mit nunmehr tief erregter Stimme dazwischen. Wenn du die Diamanten hast, so gib sie mir unverzüglich, und kein Wort soll je mehr darüber verloren werden. Ich bin nicht hart gegen junge Leute und –
Die Diamanten? Ich weiß nichts von den Diamanten, unterbrach der andere ungeduldig, was auffälliger schien, als wenn er sich entrüstet gezeigt hätte. Was ich sagen möchte, betrifft etwas ganz anderes. – Und dabei muß er wohl den Blick auf Philippa gerichtet haben, denn die Stimme des alten Herrn wurde ganz gellend, als er jetzt rief:
Was willst du sagen? Daß du und Philippa gute Freunde sind; daß sie dich nicht aus deiner Mutter Zimmer hat kommen sehen, kurz vorher, ehe die Diamanten fehlten; daß du ein Heiliger bist, wie jedermann weiß, und sie –?
Halt ein!
War das die Stimme eines Mannes, den dasniedrigste aller Verbrechen befleckte? Ich schob die Portiere zur Seite und blickte hinaus. Wie ein Bild des Zornes stand er zwischen Herrn Winchester und der glühenden, strahlenden, wie umgewandelten Philippa.
Wenn du von ihr sprichst, rief er und ließ dabei mit dem Stolz glücklich errungenen Besitzes seine Hand auf ihren Arm fallen, so sprichst du von meiner Frau.
Herr Winchester sank langsam zurück. Diese Ueberraschung war vielleicht allein imstande, seine Gedanken von den Juwelen abzulenken.
Deiner Frau? wiederholte er, und seine Augen wanderten langsam zu Philippas Angesicht, als finde er es schwer, eine so unerwartete Enthüllung zu fassen.
Herr Sutton benützte den Augenblick, um auf das Treppenhaus hinauszugehen.
Mutter, rief er, willst du herunterkommen?
Sie befand sich bereits auf dem Vorplatz, wie er ohne Zweifel bemerkte, denn er eilte zurück und nahm Philippa bei der Hand und stand noch so da, als die stattliche Frau in all dem Glanz ihres oben beschriebenen reichen Kleides über die Schwelle trat.
Mein Sohn! war ihr erstaunter Ausruf, an den sich sofort ein unverständlicher, halb unterdrückterLaut anschloß, als sie sah, wen er bei der Hand hielt, und
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