Zwischen sieben und zwölf Uhr
bemerkte, mit welcher Glut er sie umfaßte und mit welchem Ausdruck er sie betrachtete. Was bedeutet dies? fragte sie endlich, wobei ihr Stolz mit einem Zorne rang, der erst im Entstehen war, aber furchtbar zu werden drohte.
Glück, so hoffe ich, war die sofortige Erwiderung; wo nicht, so bedeutet es doch wenigstens ein besseres Leben für mich und ein weniger niedriges und abhängiges für sie. Wir sind verheiratet, Mutter, und es ist mein Wunsch –
Er vollendete nicht. Bei dem Worte »verheiratet« wankte das hochmütige, mitten in dem Stolze ihrer Hoffnungen und ehrgeizigen Pläne getroffene Weib und stürzte, ehe man ihr beizuspringen vermochte, mit ihrem ergrauten aber doch königlichen Haupte derjenigen zu Füßen, die sie noch vor einer Stunde verschmäht haben würde, mit ihrer Person in irgendeine höhere Verbindung zu bringen als die leblosen Dinge um sie her, die ihrer Bequemlichkeit dienten.
Auf den Fall folgte zuerst ein heftiges Stimmengewirr, dann eine Stille und darauf ein plötzlicher Schrei, in dem sich Staunen und Triumph in solchem Maße mischten, daß ich kaum glauben konnte, er sei aus Herrn Winchesters Mund gekommen,bis ich infolge einer plötzlichen Wendung von Philippas herabgebeugter Gestalt sehen konnte, daß Frau Winchesters Kleid am Halse zurückgeschlagen war und an dem letzteren eine Kette von Edelsteinen strahlte, welche nach ihrem Glanz und ihrem Aussehen nur die von uns gesuchten sein konnten.
Das war die Krone aller Ueberraschungen dieses Abends.
Die Diamanten! die Diamanten! rief Herr Winchester, und unbekümmert um den noch ohnmächtigen Zustand seiner Frau öffnete er das Halsband und nahm es ihr ab, um es vor sich hinzuhalten und zu betrachten, als könnte er sein Glück kaum fassen.
Herr Sutton und Philippa warfen nur einen erstaunten Blick auf die Steine; dann wechselten sie einen Blick und machten sich daran, ihrer Mutter beizustehen.
Ich war am gründlichsten überrascht von allen.
Man brauchte nur wenige Minuten, um Frau Winchester wieder zu sich zu bringen; ich beschäftigte mich inzwischen damit, ihren Gatten zu beobachten. Er hatte die Steine in die Tasche gesteckt und betrachtete nun seine Frau mit einem halb finsteren, halb mitleidigen Blick. Aber bei ihrer ersten Bewegungwar er voll Aufmerksamkeit für sie, während Herr Sutton und Philippa sich zurückzogen, als fürchteten sie sich, ihrem starren Auge zu begegnen. Ihre Gefühle waren begreiflich. Schrecklich war der Ausdruck, mit dem sie von dem Sofa, auf das man sie gelegt hatte, sich erhebend, alle ringsum anschaute. Aber plötzlich und ehe sie sprechen konnte, fühlte sie die Kühle an ihrem Hals, und während sie rasch ihre Hand darnach ausstreckte, ging eine große Veränderung mit ihr vor.
Wer – wer hat sich unterstanden? begann sie; aber hier begegnete sie dem Blick ihres Gatten; dies raubte ihr die Selbstbeherrschung; sie tastete nach einem Stuhl und ließ sich hineinfallen.
Wenn du nach deinen Juwelen suchst, bemerkte der Gatte, ich habe sie; es war eine eigentümliche Grille von dir, sie unter anstatt über dem Kleid zu tragen, dann zu vergessen, wohin du sie gebracht hattest, und dir zum Schluß einzubilden, sie seien gestohlen worden.
Sie erhob ihre schmale weiße Hand wie abwehrend, aber ihr herrischer Sinn schien gebrochen, und in ihren Augen schimmerte etwas wie Tränen.
Lawrence! rief sie mit gebrochener Stimme; was habe ich nicht für dich getan, und so belohnst du mich dafür!
Mutter, sagte der junge Mann, Philippas Hand fester fassend; konntest du eine bessere Belohnung dafür verlangen, als das neue Leben, das ich dir zeige? Vor einem Jahr noch war ich die Schande und der Kummer dieser Familie: die Welt hatte nur Verachtung und du nur mitleidige Duldung für mich. Heute kann ich durch alle Straßen gehen undbrauche den Blick vor niemand niederzuschlagen; ich bin wieder ein Mann und diesem – diesem teuren Mädchen habe ich es zu danken. Ist das nicht genug, um dich die unbedeutenden Nachteile übersehen zu lassen, die wohl deinen Stolz verletzen, dein Herz dagegen nicht beeinflussen können?
Aber Frau Winchester war nicht darnach geartet, sich durch solche Ausführungen rühren zu lassen. Vielmehr schien es, als gäben sie ihr ihr früheres selbstbewußtes Wesen einigermaßen zurück.
Die Liebe deiner Mutter war also nicht hinreichend, um dir wieder zum Bewußtsein zu bringen, was du dir selbst und ihr schuldig warst? Meine Opfer, meine Teilnahme, meine Bemühungen, dich
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