Zwischen sieben und zwölf Uhr
gesellschaftliche Stellung hegt.
Dies ist wenigstens das Urteil, das ich mir über sie gebildet habe, und dies die Erklärung, die der junge Sutton mir über sein Verhalten bei einer Besprechung gab, die ich vor etwa sechs Monaten mit ihm hatte. »Sie« – nämlich seine Mutter – »soll nichts davon wissen, was Philippa mir ist, bis sie sie als mein Weib an meiner Seite sieht,« sagte er damals zu mir. »Und ich rechne auf Ihre Mitwirkung hierzu,« fuhr er fort, »wenn ich durch Beharrlichkeit und wackeres Verhalten dieses reine.unbefleckte Wesen so weit gebracht habe, daß sie mir ihr Schicksal anvertrauen und mich zu dem machen will, was ich jetzt glaube wieder werden zu können, nämlich ein Mann mit höherem Lebenszweck, eifrigem Streben und einer achtbaren Stellung in der Gesellschaft.«
Solche Hoffnungen, ein solcher Entschluß und solche Gesinnung bei einem Mann seiner Art und mit seiner Vergangenheit konnten nicht verfehlen, meine Teilnahme zu erwecken. Eine Seele, die ich längst für verloren gehalten, hatte einen Antrieb zum Besseren gefunden, und wenn auch der Beweggrund dafür nicht eben der höchststehende war, so war er doch bedeutend genug, um die Hoffnung zu erwecken, daß die gute Sache schließlich zu dem Ziel führen werde, das ich nur herzlich für ihn wünschen konnte. Ich ging deshalb mit lebhaftem Anteil auf seine Pläne ein, und obwohl ich in ihn drang, keinerlei ernstlichen Schritt zu unternehmen, ohne sein Vorhaben wenigstens seiner Mutter mitzuteilen, so gab ich doch mein Versprechen, das ich auch gehalten habe, die beiden ehelich zu verbinden, wenn er mit Philippa zu mir käme, indem ich dabei im Vertrauen auf seinen verständigen Sinn und ihr Zartgefühl überzeugt war, daß der Erfolg ebenso sehr zugunsten der Ehre und des Glücks der Familie als ihnen beiden zur Freude und zum Glück ausfallenwerde. Aber was Sie mir jetzt sagen, macht mich unsicher in der Richtung, wo ich dies niemals erwartet hatte. Die beiden stehen unter dem Verdacht irgendeiner Missetat – welcher Art, kann ich mir nicht denken – und Sie wissen darum; daraus geht hervor, daß der Verdacht ein dringender ist, der sie möglicherweise vor dem Strafgesetz verantwortlich macht.
Ich antwortete nicht darauf, denn ich hatte den Kopf voll Gedanken. Konnte es sein, daß diese reine und rührende Geschichte einer anscheinend wahren Liebe dazu bestimmt war, durch den Schatten des Verbrechens befleckt zu werden? Hatte Lawrence Sutton die Diamanten entwendet und wußte Philippa Irwin darum, oder handelte es sich dabei um einen Diebstahl gewöhnlicher Art?
Was meine Sorge noch vermehrt, fuhr der gute Geistliche fort, nachdem er einige Zeit darauf gewartet hatte, daß ich etwas sagen würde, das ist, daß manche meinen – und zwar Mitglieder seiner eigenen Familie –, die Aenderung in seinem Wesen, von der ich sprach, sei keine so durchgreifende, als ich behauptete. Sie versichern, er führe seine alten Gewohnheiten fort, nur im geheimen. Und sie wissen dies auch zu begründen; denn während er seinerzeit, d. h. im Anfang seiner Bekanntschaft mit Philippa, den Abend zu Hause zuzubringen pflegte,ist dies seit einigen Monaten nur noch am Sonntag abend der Fall, und er geht nach dem Abendessen wieder ebenso regelmäßig aus, wie in den Tagen seiner wildesten Ausschweifungen. Nur kommt er jetzt nicht mehr betrunken nach Hause, und seine Augen, sonst immer trüb und schwer, blicken jetzt hell und offen. Ich wünschte nur, wir wüßten, wo er seine Nächte zuzubringen pflegt.
Nun, wir werden es schon herausbekommen, versicherte ich ihm, indem ich aufstand und der Türe zuging, und wenn ich auch fürchte, daß das Ergebnis unseren Wünschen nicht ganz entsprechen wird, so will ich doch Ihrer Sorgen gedenken und sie morgen nach Möglichkeit erleichtern. Jetzt muß ich Ihnen gute Nacht wünschen, denn diese Sache leidet keinen Aufschub. Und nach einigen weiteren Worten des Dankes für seine Freundlichkeit verließ ich Herrn Randall und begab mich geradeswegs nach dem Winchesterschen Hause zurück.
Meine Erwägungen unterwegs waren nicht durchaus befriedigender Art. Befanden sich Herr Sutton und seine Braut im Besitze der Diamanten, so war nicht zu sagen, was das Paar tun und wohin es sich begeben würde; vielleicht trennten sich die beiden, so daß Hawkins mit seinem Witz zu Ende war und nicht mehr wußte, welchem von beidener folgen sollte. Hatten sie die Diamanten nicht im Besitz, so war ich fest überzeugt, das Paar in
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