Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwischen sieben und zwölf Uhr

Titel: Zwischen sieben und zwölf Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Katherine Green
Vom Netzwerk:
er machte, als ich die Tür öffnete, bemerkte ich, daß das Fenster offenstand.
    So fiel Ihr erster Blick nicht auf den Kaminsims?
    Nein, aber gleich mein zweiter, lautete die kalte Antwort. –
    Diese große Dame hatte an ihrer Eigenschaft als Zeugin sichtlich keine Freude, trotz des schweren Verlustes, den sie erlitten, und trotz des Umstandes, daß die angestellte Untersuchung lediglich ihren Vorteil bezweckte. Ich durfte mich durch ihr Verhaltennicht abschrecken lassen, denn es war ein Verdacht in mir aufgestiegen, der mir die Ausdrucksweise und das Verhalten der Dame einigermaßen erklärlich erscheinen ließ.

    Gnädige Frau, bemerkte ich, Ihr Verlust ist sehr groß, und es bedarf der raschesten und tatkräftigsten Anstrengungen seitens der Polizei, um ihn nicht zueinem bleibenden werden zu lassen. Ist es Ihnen nicht besonders aufgefallen – dabei schaute ich fest auf das junge Mädchen, das ich durch eine Veränderung meiner Stellung wieder in den Bereich meiner Blicke gebracht hatte – wie Gelegenheitsdiebe, die in solch gefährlicher und bemerkbarer Weise zu Werke gingen, gerade den richtigen Augenblick wissen konnten, um den gewagten Versuch zu machen, der so günstig für sie ausfiel? Diese Diebstähle, welche, wie Sie sagen, in letzter Zeit so häufig vorkamen, geschahen bis jetzt alle zu einer Zeit, wo man annehmen konnte, daß die Familie sich bei Tische befinde, während dieser sich gerade zu einer Stunde abspielte, wo man die Familie vernünftigerweise oben vermuten mußte. Außerdem brannte doch das Gas in diesem Zimmer, nicht wahr?
    Jawohl.
    So daß der Dieb, bis er das Vordach über dem Eingang erklettert hatte und in das Zimmer eingestiegen war, allen Grund zu der Annahme hatte, es befinde sich jemand darin, wofern er nicht irgendwie vom Gegenteil Kenntnis erhalten hatte?
    Die Augen der Dame öffneten sich weit, und ein leichtes, spöttisches Lächeln trat auf ihre Lippen; aber ich beobachtete in diesem Augenblick nicht sie, sondern die junge Philippa.
    Trotz ihrer offensichtlich untergebenen Stellung und ungeachtet ihrer augenblicklichen Gemütsverfassung, die ihr eher zur Zurückhaltung Anlaß gab, machte sie bei meinen Worten einen Schritt vorwärts, und ihr Mund öffnete sich, als wollte sie ein Wort in das Gespräch hineinwerfen. Ihre Miene zeigte in diesem Moment keine Spur ihrer früheren Unterwürfigkeit und Gleichgültigkeit mehr. Allein ein Augenblick der Ueberlegung genügte, um ihren leidenschaftlichen Anlauf zu dämpfen und unmittelbar darauf schlüpfte sie leise zum Zimmer hinaus, als ich mich zu Frau Winchester hinneigte und flüsterte:
    Ersuchen Sie das Mädchen, draußen auf dem Vorplatz zu warten und veranlassen Sie sie, die Tür offen zu lassen! Ich habe keine Lust, irgend jemand, der meine letzte Bemerkung mit angehört hat, aus den Augen zu lassen, er mag so vertrauenswürdig sein als er will.
    Frau Winchester schien überrascht und blickte mich mit einem Ausdruck an, wie sie ihn etwa gezeigt haben würde, falls ich sie gebeten hätte, eine Maus am Entschlüpfen aus unserer Sitzung zu verhindern.
    Doch erfüllte sie meine Bitte und zwar in einer kalten, befehlenden Weise, welche bewies, daß, sobrauchbar sie auch die gewandte, anmutige Zofe fand, sie doch keine wirkliche Zuneigung und keinerlei Teilnahme für dieselbe fühlte, außer soweit sie der Wertschätzung ihrer Dienste entsprang. War dies Frau Winchesters oder Philippas Schuld? Ich hatte keine Zeit, mir darüber ein Urteil zu bilden. Der Fügsamkeit der letzteren war vielleicht nicht allzuweit zu trauen, besonders wenn, wie ich vermutete, zwischen ihr und den Juwelendieben irgendeine Verbindung bestand; und so mußte ich denn, solange sie sich noch unter meinen Augen befand, die durch den Ernst der Lage offenbar gebotene Frage stellen:
    Frau Winchester, halten Sie irgend jemand hier im Hause einer Verbindung mit den Dieben für fähig?
    Die Frage wirkte verblüffend auf sie; sie stutzte, und die Röte erschien wieder auf ihrer Wange. Ich verstehe Sie nicht, begann sie; dann jedoch rief sie, rasch ihre Selbstbeherrschung wieder gewinnend, leise aber ausdrucksvoll: Nein, wie könnte ich an so etwas denken? Es ist das Werk gewerbsmäßiger Diebe und zwar ganz ausschließlich solcher.
    Wer ist dieses Mädchen? fragte ich.
    Philippa, mein Kammermädchen, antwortete sie ohne die leiseste Andeutung, als verstünde oder gar als teilte sie den Verdacht, den ich durch meineziemlich deutliche Frage vielleicht allzu stark

Weitere Kostenlose Bücher