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Zwischen sieben und zwölf Uhr

Titel: Zwischen sieben und zwölf Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Katherine Green
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kundgegeben zu haben fürchtete. Oder vielmehr, verbesserte sie sich mit einem leichten Anflug von Spott, sie ist, was man gemeinhin eine »Gesellschafterin« nennt; sie besitzt nämlich genügend Bildung, um mir vorzulesen, falls ich gerade aufgelegt bin zuzuhören, oder um Klavier zu spielen, wenn im Hause Musik gewünscht wird.
    Die kalte Gleichgültigkeit dieser Antwort zeigte, daß Frau Winchester mehr vornehme Manieren als Gemüt besaß; allein da dies meine unangenehme Aufgabe nur erleichterte, so wäre es unhöflich gewesen, mich darüber aufzuhalten.
    Wie lange ist sie schon bei Ihnen? fuhr ich fort.
    O, ein Jahr, vielleicht noch länger.
    Und kennen Sie sie genau; ihre Vergangenheit, ihren Umgang?
    Ja, ich kenne sie, soweit es da etwas zu kennen gibt. Es steckt nichts Bedeutendes hinter ihr; lassen wir sie aus dem Spiele.
    Im Augenblick, erwiderte ich; in einem Fall wie dem vorliegenden muß ich mich vollständig über Charakter und Vergangenheit aller Hausgenossen unterrichten. Philippa habe ich gesehen, darum richten sich naturgemäß meine Nachforschungen zuvörderstauf sie. Bei wem wohnte sie, ehe sie zu Ihnen kam, und wo bringt sie ihre Zeit zu, wenn sie nicht bei Ihnen im Hause ist?
    Frau Winchester wurde sichtlich ungeduldig. Torheiten, rief sie, fuhr aber dann, aus Angst vor einem erneuten Ansturm meiner Aufdringlichkeit, eiligst fort: Philippa ist die Tochter des Geistlichen, der mich meinem Gatten antraute. Ich kenne sie von jeher. Sie kam von ihres Vaters Sterbebett weg zu mir ins Haus. Umgang hat sie keinen, und die Zeit, die sie außerhalb meines Zimmers zubringt, ist so geringfügig, daß es wohl kaum die Frage verlohnen wird, wie und wo sie diese zubringt. Haben Sie etwa sonst noch irgendwelche Fragen zu stellen?
    Allerdings hatte ich solche, doch behielt ich sie mir für später vor. Wollen Sie mich mit Philippa sprechen lassen? fragte ich.
    Sie machte hierauf eine Gebärde äußerster Geringschätzung, die jedoch eine Zustimmung in sich schloß, von der ich mich beeilte, Gebrauch zu machen. Rasch schritt ich nach dem Vorplatz auf die zarte Erscheinung zu, die ich während dieses Gesprächs stets geflissentlich im Auge behalten hatte. Allein bei dem ersten Schritt, den ich auf sie zu machte, stutzte das junge Mädchen, und ehe ich sie anzureden vermochte,war sie durch die Türöffnung des gegenüberliegenden Zimmers getreten und dahinter in der Dunkelheit verschwunden.

    Sofort begab ich mich zu der Frau vom Hause zurück.
    Stehen jene Zimmer dort in Verbindung mit einer Hintertreppe? forschte ich.
    Jawohl, gab sie mit unerschütterlicher Kälte zurück.
    Ich war also angeführt, wenigstens soweit es Philippa anging. Ich fand mich übrigens so gut als möglich in die Sachlage, und nachdem ich FrauWinchester durch eine Verbeugung meinen Dank ausgedrückt hatte, entschuldigte ich mich für einen Augenblick bei ihr und begab mich schleunigst in den unteren Stock.
    Hier fand ich ihren Gatten, der mich mit schlecht verhehlter Unruhe erwartete.
    Nun? fragte er bei meinem Wiedererscheinen.
    Ich bin zu einem Schluß gekommen, sagte ich.
    Er zog mich in eine entfernte Ecke des Zimmers, von wo aus er, ohne daß unser Gespräch behorcht werden konnte, durch die halboffene Tür das Treppenhaus im Auge zu behalten imstande war.
    Lassen Sie mich hören! sagte er.
    Ich sprach sofort meine Ansicht aus.
    Es war kein Gelegenheitsdiebstahl. Der Dieb wußte nicht nur, daß es Diamanten in Ihrem Hause gab, sondern auch, wo und wann solche zu finden waren. Entweder wurde ihm ein Zeichen gegeben, zu welcher Zeit er herein könne, oder wurden ihm die Juwelen aus dem Fenster zugeworfen. Sind Sie nicht auch dieser Ueberzeugung?
    Er lächelte nur grimmig vor sich hin, ohne sich auf die Frage einzulassen.
    Und wer glauben Sie, daß das Zeichen gab oder die Diamanten hinauswarf? Nennen SieNamen ohne Scheu; der Fall ist zu ernst, um lange Umschweife zu machen.
    Nun, sagte ich, ich war nur wenige Minuten hier im Hause und habe darin außer Ihnen nur drei Personen gesehen. Ich möchte doch nicht gerne jemand als Teilnehmer an einer so frechen Untat bezeichnen, ehe ich alle Bewohner des Hauses gesehen und gesprochen habe. Doch ist oben ein junges Mädchen; Sie selbst haben mich auf sie aufmerksam gemacht; ich möchte gerne in bezug auf sie eine oder zwei Fragen stellen. Ich meine Philippa, Frau Winchesters Gesellschafterin.
    Er richtete einen erwartungsvollen Blick auf mich.
    Gefällt sie Ihnen? Haben Sie Zutrauen zu ihr?

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