Zwischen Wind und Wetter
möglicherweise gibt es oberhalb der offiziellen Quelle die eigentliche Quelle, wie Franjo Terhart zu berichten weiß, dem vielleicht sogar der Geist der Sinnan zwischen den Haselnußsträuchern erschienen ist. Bei den Keltinnen weiß Mann ja nie — und nach dem dritten Pint schon gar nicht...
TRÜBES WETTER
‘The weather is cloudy and dull’, berichtet der ‘Irish Independent’ am nächsten Tag, dem 26. Mai. Das ist es, really.
In der Nacht hat es ununterbrochen geregnet. Kalt war uns nicht. In den Schlafsäcken einschließlich der zusätzlichen dünnen Baumwollinlets ist es herrlich warm. Wind ist aufgekommen, ich schätze Stärke 5-7, lese später in der Zeitung, daß ich nicht falsch gelegen habe: es war Windstärke 6. Nur ein Häring hat sich losgerissen, also alles in allem eine ruhige Nacht.
Sorgen macht uns der Zeltboden. Auch geringe Feuchtigkeit kommt an einigen Stellen durch, obwohl kein Loch zu sehen ist. Wir finden die Ursache nicht, tippen auf Materialschwäche. Schade, das Zelt ist technisch ausgereift, leicht aufzubauen, sehr praktisch mit zwei Apsiden. Und von oben hat’s bisher nicht durchgeregnet. Wir opfern unsere Lebensrettungsfolie aus der Apotheke, die leichte, zwei Quadratmeter große Alufolie, schieben sie unter den Zeltboden.
Woher weht der Wind? Aus Nordwest. In welche Richtung müssen wir fahren? Nach Nordwest! Alles klar.
Als reichten Regen und Gegenwind nicht, hat Ilses Hinterreifen kurz nach dem Start einen Platten . Bei Regenwetter sind’ s immer die Hinterreifen, behaupte ich, aber das soll nach Aussagen von Fachleuten eine völlig irrationale Annahme sein. Das Gepäck wieder herunter, das wir gerade festgezurrt haben? Ich nehme diesen Platten einfach nicht an, pumpe den Reifen voller Wut auf, das bringt den Kreislauf in Schwung. Wir retten uns mit häufigem Aufpumpen über den Tag, schleichen uns in Lee der Slieve Bernagh-Berge am Shannon entlang nach Norden. Trotz des Windes erleben wir eine schöne Strecke mit Blick auf den berühmten See Lough Dergh, ein Touristen- und Anglerparadies. Dann biegen wir nach Westen ab über den Berg, vorbei am bunten Städtchen Killaloe.
In Luv der Berge empfängt uns nach kurzer Mittagsaufhellung der Regen mit voller Wucht. Vor Tulla sind wir so durchfroren und durchnäßt, daß wir eine Pause in einer kleinen Bar am Wegesrand einlegen. Zwei Gäste sitzen auf Hockern an der Theke, der Haushund liegt vor dem offenen Kaminfeuer. Am liebsten würden uns dazulegen, setzen uns aber auf jeden Fall so nah heran, wie der Hund es zuläßt. Der Wirt hat heiße Erbsensuppe mit Brot anzubieten — und natürlich zwei Dunkle. Wir überlegen, ob wir in Anbetracht der durchfrorenen Situation vielleicht einen kleinen Whiskey...? Nein, mittags lieber nicht, wir müssen noch weiter. Während sich die Männer an der Theke wieder ihrem Dorfklatsch zuwenden, der Hund sich gereckt hat und uns nur noch mit einem Auge beobachtet, stellen wir fest, daß die kleine Flasche Whiskey für den Notfall noch nicht gekauft worden ist. Bei nächster Gelegenheit, beschließen wir.
Dann müsssen wir wieder in die nassen Jacken und hinaus in das Wetter. Ein letzter neidischer Blick auf den Kaminhund; mit leichtem Lachen wünschen uns die Männer ‘a good journey’. Wir kommen auf die Landstraße nach Ennis, die sich durch eine Menge Schlaglöcher auszeichnet. Die Lastwagen überschütten uns mit gewaltigen Fontänen Wasser, nach kurzer Zeit haben wir keinen Fetzen Trockenes mehr am Leib.
Heute sind wir reif für Bed & Breakfast, außerdem gibt es in Ennis keinen Campingplatz. Was uns allerdings wundert, da die Stadt gar nicht so klein ist. Nach einigem Hin und Her finden wir am Stadtrand in einer Seitenstraße ein freundliches, modernes Haus mit dem В & В-Schild. Eltern, Tochter und Sohn begrüßen uns herzlich, wir werden gebührend bedauert und bewundert, die nassen Jacken werden uns abgenommen, zum Trocknen aufgehängt, auch die klammen Schuhe müssen wir hergeben. Der Hausherr persönlich bringt unsere Räder hinter das Haus in einen Schuppen. Wir bekommen im Wohnzimmer heißen Tee und Gebäck. Erleichtert sinken wir in die Polstersessel.
»Where do you come from ?«
Bei der zweiten Tasse Tee tauen wir auf und erzählen von der bisherigen Reise. Wir haben den Eindruck, daß alle vier wirklich interessiert sind. Die achtzehnjährige Tochter bleibt noch länger bei uns, hört nicht auf zu fragen.
Und dann das Zimmer. Ein richtiges Schlafzimmer mit
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