Zwischen Wind und Wetter
aufklären, die ich zum Bierholen
geschickt habe. Sie bleibt beim Thekengespräch hängen, und ich muß fast
verdursten. Die kann ich wohl nicht mehr zum Bierholen schicken. Ach Ilse.
In guter
Stimmung rollen wir am nächsten Morgen zur Bahnstation. Erneut schreckt uns
eine bittere Wahrheit: es gibt keinen durchgehenden Zug nach Fishguard.
Überhaupt fährt der Zug erst heute abend recht spät,
in Bristol muß umgestiegen werden, von Kopfbahnhof zu Kopfbahnhof mit den
Rädern durch die Industriestadt, durch smoggy Bristol. Nein, das wollen wir
nicht. Gequält erkundigen wir uns nach anderen Lösungen. Eine Strecke hat eine
fahrradbedingte Lücke, für eine Teilstrecke gibt es lediglich einen Zug, der
nur ein einziges Fahrrad mitnimmt.
Wir könnten
doch nacheinander fahren, wird uns geraten. Nein, das wollen wir nicht, aus
Prinzip nicht.
Und, gibt es
einen dritten Weg? Es gibt ihn. Ein Zug bis Swansea in Wales, über Cardiff.
Zwar auch über Bristol, aber ohne Umsteigen. Das ist gut. Von Swansea müssen
wir dann weitersehen. Wann fährt der Zug? In five minutes. In fünf Minuten, und
wir brauchen noch Fahrkarten für die Räder. Six Pounds, please, der Beamte
wechselt schnell das Geld, have a good journey, und los. Gut, daß wir schon
gestern entdeckten, wie man in Bath hinten herum ohne Brücke und Treppen auf
die ‘Platform 2’ kommt, denn die ist es mal wieder.
Der
Sprinter, ein kurzer Dieseltriebwagen, fährt bis Cardiff, dort ist Endstation,
wir brauchen also nicht aufzupassen. Wir haben eine angenehme Fahrt, sehen viel
vom walisischen Industriegebiet, Fördertürme, Halden, graue Städte, lodernde
Flammen vom Abfackeln, den weißen Dampf von Kühltürmen, wie im Ruhrgebiet, dem
‘Kohlenpott’, vor dreißig Jahren. Dazwischen aber auch grüne Hügel, Wiesen und
Weiden. Das Signalhorn des Zuges ertönt, Töne, die uns an die Melodie von
‘Guten Abend, gute Nacht’ erinnnern. Ob man wohl drei Kreuze machen muß, wenn
der Zug gute Nacht singt und dann in den Tunnel unter der breiten Mündung des
Severn bei Bristol einfährt? Wir kommen heil ans Tageslicht, nur in den Ohren
knackt es.
Von Cardiff
geht es nach Swansea, Heimatstadt des walisischen Dichters Dylan Thomas, der
viel zu früh gestorben ist. Wieder müssen wir Fahrpläne studieren und eine
Entscheidung fällen. Der Fishguard-Zug fährt erst sehr spät heute abend oder morgen gegen Mittag. Wir könnten aber schon mal
bis Whitland fahren, dort ist auf unserer Karte ein Campingplatz eingezeichnet.
Danach werden wir weitersehen.
Aber halt,
sagt die nette, junge Dame am Infoschalter, der Zug nach Whitland (Ziel:
Pembroke Docks, hol’s der Teufel, warum haben wir eigentlich keine Fahrkarten
nach Pembroke? Dann könnten wir jetzt durchfahren!), hol’s der Teufel, der Zug
nach Whitland nimmt only one bike... und auch nur eins von den unseren, wenn
nicht schon jemand anderes mit Fahrrad sich im Zug aufhält.
Fragen Sie
erst den Zugbegleiter, rät uns die junge Dame, und wenn er großzügig ist,
kaufen Sie schnell die Byke-Fahrkarten bei mir. We have to smile. Auf ‘Platform
2’ stoßen wir auf einen Bahnbeamten, der sich als Bahnhofsvorsteher entpuppt.
Ein netter Mann, der sich unaufgefordert nach unseren Problemen erkundigt. Und
dann geht alles sehr schnell. Ich werde zum Kartenkaufen abkommandiert, er wird
sich mit Ilse um die Räder kümmern. Als ich zurückkomme, sind die Räder schon
fest im Zug vertäut. Der Chef hatte schnell zwei Helfer organisiert, um sich in
Ruhe mit Ilse unterhalten zu können. Jetzt ist auch noch Zeit für ein
Schwätzchen über den Schwarzwald, wo er schon einmal war, übers Radfahren, über
flache Länder wie Holland und England und über bergige wie Wales und Schottland.
England wäre wirklich schön flach, meint er. Dann führen wir am besten nach
England und würden Wales auslassen, werfe ich ein. Aber da winkt er schnell ab.
Das dürfe ich hier, in Wales, nicht laut sagen. England und Wales, er schlägt
die Fäuste gegeneinander. Engländer, Waliser und Schotten, er sucht nach dem
richtigen Ausdruck, bauten am liebsten Wälle, Deiche gegeneinander. Und das
haben sie in der Vergangenheit auch getan. Der um das Jahr 800 entstandene,
nach dem englischen König Offa benannte ‘Offa’s Dyke’ zieht sich 270 Kilometer
an der walisisch-englischen Grenzlinie entlang. Heute folgt ein Wanderweg
(Offa’s Dyke Path) dem ehemaligen Grenzwall von Chepstow im Süden bis Prestatyn
im Norden. Also Radfahren doch lieber in Wales,
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