Zwischen Wind und Wetter
VORWORT
Irland. Eire
vom Fahrrad aus: Wind, Regen, Sonnenstrahlen und Schlaglöcher.
»Wie malt
man einen grauweißen Leuchtturm bei grauweißem Himmel ?« fragt die Malerin Ilse Straeter, die zusammen mit ihrem Mann die tausend
Kilometer quer durch das ‘Land der Käuze’ geradelt ist. Er weiß es nicht, zuckt
ratlos die Achseln, denn Ulrich Straeters Aufmerksamkeit gilt auf der Reise den
Geschichten, Legenden und den historischen wie aktuellen politischen
Wirklichkeiten der ‘Grünen Insel’.
Vor allem
aber sieht er mit den Augen eines Schreibenden; dem Buch tut es gut, daß ihn
eine Malerin begleitet: Sehen und Beobachten einerseits, Finden und Erzählen
anderereits, halten diesen Reiseroman auf jeder Seite lebendig, schenken dem
Leser und der Leserin dennoch Raum genug für ein ganz persönliches Irlandbild,
das dabei im Kopf entsteht.
Leser und
Leserinnen begleiten Ilse und Ulrich Straeter gern bei ihrer ‘Landpartie’ auf
den ‘Drahteseln’, die mitunter hart gefordert werden. Viel Humor und Liebe zu
‘Erin’, wie die Kelten Irland nannten, werden dabei spürbar. Der
Kilometerzähler läuft mit, fast entsteht der Eindruck, hier solle kein
Quadratkilometer durchfahrenes Land unterschlagen werden.
Es ist die
gekonnte Mischung aus charakterisierenden Details, wie man sie aus einschlägigen,
guten Reiseführern kennt, und Persönlichem, ja fast schon Intimem, die das Buch
so lesenswert macht, daß selbst eingefleischte Irlandkenner und -freunde immer
noch Neues entdecken können!
So die
Geschichte vom armen, schönen Mädchen Colleen Bawn, wie sie in Killimer erzählt
wird, wo sich auch ein Gedenkstein — oder ist es gar eine ‘Gedenkmauer’? —
befindet: Young Colleen wurde durch einen Trick von zwei üblen Burschen zu
einer ‘Art Ehe’ verlockt...
Solch eine
Formulierung macht einfach neugierig, und Ulrich Straeter kann nicht anders,
als uns an Colleens tragischer Geschichte teilhaben zu lassen.
Davon lebt
dieses Buch! Finden und Erzählen!
Und die
Malerin? Sie malt mitunter ihre Aquarelle mit Meerwasser, sozusagen in ‘
Aqua-Chlorid’, und der Dichter findet für die außergewöhnlichen
Landschaftsmotive, dem Spiel von Licht und Farben, eigene Worte und Bilder.
Doch Ilse Straeters Bilder stehen für sich und sollten deshalb auch in
Augenschein genommen werden — zwischen Wind und Wetter im ‘Land der Käuze’.
Last not
least: bei den ‘Käuzen’ hat sich einiges verändert seit den Tagen, als Heinrich
Böll sein berühmtes ‘Irisches Tagebuch’ schrieb. Ulrich Straeter stellt dies
schmerzlich in einem ‘Brief’ an den Nobelpreisträger fest: ein sehr ungleich
verteilter Wohlstand, Arbeitslosigkeit und vielerorts die traurigen
Hinterlassenschaften der Zivilisation wie Plastikmüll und Autowracks in der
Landschaft. Da nützt es auch nichts, daß irische Frauen heutzutage stärker
mitreden als noch vor dreißig Jahren, und auch nicht, daß der Einfluß der
allmächtigen katholischen Kirche merklich nachgelassen hat. Bölls Irland ist
leider Gottes ein wenig dabei zu verblassen, und Ersatzansprüche an ihn zu
stellen, weil wir es nicht mehr so vorfinden, ist nun mal nicht möglich.
Was hilft
es? Schwing Dich aufs Fahrrad und schau Dich um im Land, meint der Autor dieses
Buches. Denn noch läßt sich aufspüren, was den Zauber und die Seele dieser
Insel im Westen Europas ausmacht.
Franjo Terhart
(Franjo
Terhart, Verfasser mehrerer Irlandbücher, hat Heinrich Böll noch persönlich
gekannt, ihn mehrere Male in Irland auf der Insel Achill Island besucht. Er
kann amüsante Anekdoten über den verehrten Schriftsteller erzählen. Dank dieser
‘Querverbindung’ ist vielleicht auch eine ‘literarische Zeitreise’ durch Irland
entstanden... U.S.)
Vor das Fahrrad hatte
die Göttin Kathleen ni Houlihan
die Schiene gesetzt.
ABENTEUER
DES SCHIENENSTRANGS
Der Zug war
pünktlich. Er brachte uns und unser Gepäck von Essen zum Kölner Hauptbahnhof.
Die
Fahrräder hatten wir vorgeschickt, sie würden uns hoffentlich in Calais am
Ärmelkanal erwarten. Der D-Zug Köln-Ostende, der uns nach Brüssel bringen soll,
fährt vorschrifts- und fahrplanmäßig bis zur Grenzstadt Aachen. Das war wohl
Glückssache. Ab da verlassen die europäischen Staatsbahnen alle guten Geister.
Die Bahn entdeckt die Langsamkeit. Mit zwanzig Minuten Verspätung erhalten wir
freie Fahrt. Langsam, sehr langsam geht es weiter. Dazu längere Aufenthalte
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