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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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morgen abend: „Lesbe folgt heißgeliebter Freundin in den Freitod.“
    Jeder der Trauergäste wird bestätigen, daß ich völlig fertig mit den Nerven war. Selbst der sympathische Joe Steiner wird in diesem Sinne aussagen. Nur der kleine Maricek wird vielleicht die Wahrheit ahnen. Aber ihm würde sowieso keiner glauben, Da ihm das bewußt ist, würde selbst er den Mund halten. Und diese Margot wäre sicherlich bereit, Alfred ein hieb- und stichfestes Alibi zu verschaffen.
    Sie wagt keine Frage mehr zu stellen, fürchtet, ihre Stimme könnte sie verraten. Mit zusammengepreßten Knien sitzt sie aufrecht auf der Couch und beobachtet ihn scharf aus den Augenwinkeln. Ihre Finger spielen nervös mit dem Glas. Aber die Gedanken an Anna lassen sich nicht vertreiben.

Wie oft hatte sie des Nachts und auch am Tag von Annas Händen geträumt, sich ausgemalt, wie sie zärtlich ihren Körper streichelten und fremde, aber doch vertraute Lust spendeten. Sie selbst hätte nie den ersten Schritt gewagt, nicht einmal in ihren Träumen. Außer rein freundschaftlichen Küssen zur Begrüßung und zum Abschied hatte es keine Zärtlichkeiten gegeben. Manchmal hatten sie aus Spaß, um andere Leute zum Narren zu halten, ein lesbisches Pärchen gespielt, aber wenn sie allein waren, wahrten sie immer Distanz. Auch als sie zusammen ein Zimmer teilten und, wenn Gäste über Nacht blieben, sogar ein Bett, wäre es Ann-Marie nie eingefallen, die Freundin zu berühren. Gewöhnt an die Nacktheit der anderen, die der eigenen so ähnlich war, tauschten sie nicht einmal begehrliche Blicke aus.
    Ihre Erinnerung ließ sie im Stich, denn einmal, ein einziges Mal, waren sie doch sehr zärtlich zueinander gewesen. Aber das war lange her, mindestens schon zwanzig Jahre.
    Sie hatten gerade zu studieren begonnen und kamen sich in der kalten und düsteren Akademie ziemlich verloren und deplaziert vor. Die meisten ihrer Kollegen fühlten sich bereits als große Künstler und benahmen sich so, wie sich ihrer Meinung nach Künstler zu benehmen hatten. Auf irgendeinem Akademiefest, einem mehr oder minder ausgeflippten Kostümfest, ließen sich die beiden Freundinnen, einsam und unbeachtet von den anderen, in einer dunklen Ecke mit billigem Wein vollaufen. Als ihnen schlecht wurde, wankten sie nach Hause. Anna kam weinend ins Bett ihrer Freundin gekrochen. Ann-Marie, der auch eher nach Heulen zumute war, schluckte ihre Tränen tapfer hinunter und versuchte, die unglückliche Anna zu trösten. Ihre Küsse waren verlangend und ihre Umarmungen nicht mehr ganz unschuldig. Schließlich schliefen sie ein, fest umschlungen wie zwei Kinder, die sich fürchten.
    Die Angst, diese furchtbare Angst, bekommt man nicht erst in der Sekunde, in der man den Halt verliert und zu fallen beginnt.
    Vor Ann-Maries Augen laufen die Ereignisse von Sonntagnacht wie in Zeitlupe ab:
    Seine überraschende Rückkehr gleich nach dem Telefonat, das ihn mißtrauisch gemacht hat. Anna ist leichtsinnig gewesen und hat ihm, in der Annahme, daß er durch seine Geschäfte in Salzburg festgehalten wird, von ihrer geplanten Abreise erzählt. Er ist sofort nach Wien gerast, vielleicht nicht mit der Absicht, sie umzubringen, wohl eher um zu versuchen, sie umzustimmen. Und dann der Streit. Die zornige, höhnische Anna, leicht betrunken, sich nicht beherrschend, sondern ihm alles, was er ihr angetan hat, an den Kopf werfend. Unklug und unüberlegt, sich der schrecklichen Gefahr, in der sie schwebte, nicht bewußt. Lachend hat sie ihm die Scheidung angekündigt. Ann-Marie sieht ihre vor Wut funkelnden Augen. Schön muß sie gewesen sein, wahnsinnig schön. Mit hoch erhobenem Haupt und arrogantem Gesichtsausdruck, in ihrer Stimme nichts als pure Verachtung. Sie wird ihn verspottet haben, ihm gedroht haben, daß ihm nach der Scheidung kein Groschen bleiben würde. Stolze, dumme Anna, wie hat sie ihren Ehemann nur so unterschätzen können.
    Für Ann-Marie bleibt es nach wie vor ein Rätsel, wie Alfred es geschafft hat, Anna hinaus auf die verhaßte Terrasse zu locken.
    Wie es sich genau abgespielt hat, werde ich wohl nie erfahren. Aber spielt das überhaupt noch eine Rolle? Wahrscheinlich hat er sie drinnen niedergeschlagen und dann ihren bewußtlosen Körper hinaus auf die Terrasse geschleppt und übers Geländer geworfen. Er ist ein kräftiger Mann.
    Das nackte Grauen packt sie bei dieser Vorstellung. Es nützt nichts, daß sie sich immer wieder vorsagt, daß sich alles nur in ihrer Phantasie so abgespielt

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