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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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davon schwarze Finger, aber allmählich war sie es müde geworden, sie wieder mit Bimsstein zu waschen. Die Fersen taten ihr ein bißchen weh, auch die Schulterblätter.
    Sie kletterte nachher in den Keller hinunter und inspizierte das Mädchen, das die beiden Baderäume sauber machte. Es roch hier medizinisch, nach Lysoform, nach jodhaltigen Salzen, nach Kresolseifenlösung. »Katrinchen hat wieder alles versaut«, sagte Elisabeth lächelnd. Katrinchen war eine dicke, ehrwürdige Spinne, die ihre Hängematten in alle Winkel hängte. Elisabeth fegte sie weg, es tat ihr immer ein wenig leid, Katrinchens Wohnstätten zu zerstören. Hier unten lag man stetig im Kampf gegen ein Gewimmel von lebenshungrigen Kreaturen: Mäusen, Schwaben, kleinen, namenlosen Tierchen, die wie lebendig gewordene Stahlnägelchen aussahen und in den Badewannen wohnen wollten.
    Oben war indessen die Vormittagsordination schon in Gang gekommen, die Diele roch nach Menschen, nach Pfeifentabak, sie war voll herbstnasser Stiefelabdrücke. Kolas Windjacke hing naß am Haken, er war heimgekommen, ohne daß Elisabeth ihn gesehen hatte. Im Verschlag hockte Rehle und putzte das Motorrad.
    Rehle trug Hosen, eine Art Overall, den Elisabeth nach den Anweisungen eines Modealbums geschneidert hatte und der nicht übermäßig geglückt war. In Lohwinckel addierte man dieses Kleidungsstück zu den übrigen Verrücktheiten des Doktorhauses und nahm es übel. Aber da Rehle nun einmal immer hinten auf dem Motorrad draufsaß, die kurzen Ärmchen um den Magen ihres Vaters geschlungen, und da Kola darauf bestand, sie bei seinen Visiten durch alle Dörfer und Häuser der Umgebung mitzuschleppen, war dieser kleine blaue Overall eher praktisch als verrückt zu nennen und verdiente die Feindschaft der Lohwinckler nicht ganz.
    »Puß, Mutter«, sagte das Rehle, ohne aufzuschauen, als Elisabeth ihre leise schmerzenden Schulterblätter für einen Augenblick an den Türpfosten des Verschlages lehnte. ›Puß‹ war Rehles Grußform aus der Zeit, da sie noch klein war. Inzwischen hatte sie sich zu einem erstaunlich selbständigen Menschen entwickelt, zu einem Mädchen, das für ihre fünf Jahre viel zu lang war, zu große Hände und Füße hatte.
    »Na? Haselmaus?« fragte Elisabeth. Rehle hatte viele Namen; alles, was braun und glatt war, paßte: Rehle, Haselmaus, Nüßchen, Spitz. Aber Rehle war Zärtlichkeiten abgeneigt.
    »Schön dreckig, was?« sagte sie und hielt Nase, Hände und Stiefel ins Licht, das durch eine Luke in der Stadtmauer hereinsickerte.
    »Nasse Füße?« fragte Elisabeth. »Natürlich«, sagte Rehle. Elisabeth zog ihre Hand wieder zurück, mit der sie Rehle gern gestreichelt hätte, dann überließ sie das Kind sich selbst. Nasse Füße gehörten zu Rehle, und Schuhe wurden nicht gewechselt. Das war ein Teil von Kolas Erziehungsprinzipien, ein Teil seiner Idee, ein Teil von seinem Kampf gegen die Disposition …
    Elf Uhr. Zurück in die Küche. Das dritte Frühstück für Lungaus: Milch mit dem Saft einer Apfelsine – die der Kaufmann Heinrich Markus zu dieser Jahreszeit für viel Geld aus der Kreisstadt kommen lassen mußte. Das Wohnzimmer aufräumen. Kolas Notizen im Schlafzimmer sammeln, bevor das Mädchen sie wegwirft. Zweites Frühstück für Rehle. Eine Tasse Tee für Kola in die Ordination tragen, wo gerade ein schreiendes Kind an den Mandeln gepinselt wird. Rehles Kammer in Ordnung bringen.
    Aber Rehles Kammer war in Ordnung. Rehle hatte sich selbständig gemacht, sie lag unter ihrem Gitterbett und wischte den Boden auf, Fenster und Türen standen offen, es war hübsch zugig und kühl hier, aber ordentlich. Die Puppen lagen in Reih und Glied und waren alle krank, sie hatten Verbände um Kopf, Arm und Bein, wirkliche Verbände aus wirklichem, wenn auch durchaus nicht mehr sterilem Mull, und die Lieblingspuppe Erika hielt außerdem ein Thermometer unter die Achsel geklemmt, ein weißes Stückchen Holz, auf dem ein roter Strich das Quecksilber vorstellt und ein für allemal neununddreißig Grad als Temperatur vermerkt ist. Denn Rehle kann schon Ziffern schreiben, aber achtunddreißig ist zu schwer, siebenunddreißig zu uninteressant, weil fieberfrei, und vierzig zu hoch und gefährlich.
    »Nachher gehe ich zum Schlachter, einholen«, meldete Rehle mit erstickter Stimme unter dem Bett hervor. »Du bist ja brav«, sagte Elisabeth. »O ja«, erwiderte Rehle sehr selbstsicher.
    In Rehles Gegenwart fühlte Elisabeth sich immer ein wenig

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