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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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ihr habt die ganze Nacht gearbeitet.
    Keiner fragte ihn, ob er es wirklich war. Wir wußten, daß er es war.«
    Die Kraniche am anderen Ufer hatten ihr Frühstück verzehrt, ließen triumphierendes Schmettern ertönen und rauschten mit schweren Flügelschlägen davon. Dann herrschte wieder Stille, die nahe Großstadt war noch nicht erwacht.
    Johannes fuhr sich mit beiden Händen über die Stirn, als müsse er sich gewaltsam in die Gegenwart zurückrufen. Wie lange der Alte und der Junge schweigend im Boot saßen, hätte keiner angeben können.
    »Und wie steht es mit unserem Fang, Poly?«
    »Das Boot hängt leicht nach rechts. Aber was daran schuld ist, das volle Netz oder Ihr Körpergewicht, muß sich erst zeigen.«
    »Dann schau nach, Poly. Oder zitterst du vor einem Wunder!«
    Poly streifte ihn mit einem erstaunten Blick. Seit wann erriet der Alte seine Gedanken! Dann beugte er sich auf die rechte Seite und zog das Netz aus dem Wasser, mühelos. » Sehen Sie mal: nur billiges Kroppzeug, wie ihr auf galiläisch sagt.« Er packte die zappelnden Fischlein und warf sie ins Wasser zurück. »Sind Sie jetzt sehr enttäuscht, Johannes? «
    »Nur für dich«, erwiderte der alte Apostel, »ich brauche keine Wunder mehr.«
    »Ich vielleicht!« fragte der Junge großspurig zurück. »Entweder man besitzt den Glauben oder man besitzt ihn nicht. Wunder ändern da gar nichts.« Insgeheim aber dachte er sich: Eine tolle Sache wäre es doch gewesen, wenn ich den Freunden von einem waschechten Wunder hätte berichten können. Das volle Fischnetz hätte den Großstadtpflanzen mächtig imponiert. Gab es nicht noch eine winzige Chance? Es würde zwar keinen überzeugen, alle würden ihn auslachen. Es wäre ein Wunder ganz für ihn allein — wenn sie jetzt ans Ufer zurückrudern würden und Er dort auf sie wartete, beim erloschenen Kohlenfeuer, und sie einlüde zu Brot und Wein.
    Drei kräftige Ruderzüge, dann wandte er das Gesicht mit einem Ruck nach Osten. Und mußte die Augen schließen; denn das Licht der auferstandenen Sonne traf ihn mit voller Gewalt.

Nachträgliche Bitte des Autors
an bibelkundige Leser
um Verzeihung
für den lockeren Umgang
mit der Heiligen Schrift

    Den Anstoß zum vorliegenden Buch gab nicht der Ehrgeiz, die Zahl der »Leben Jesu« zu vermehren oder heilsgeschichtliche Aussagen in modischer Verpackung zu präsentieren, sondern eine Frage, die mir im Gespräch junge Leute stellten. Diese Frage lautete: Wie begeisternd muß Jesus für junge Menschen und wie begeisterungsfähig müssen diese jungen Menschen gewesen sein, daß sie ihm auf Anhieb folgten!
    Im Vordergrund des Geschehens stehen darum die Jünger, während Jesus meist im Hintergrund bleibt.
    Zum Glück für den Autor deuten die Evangelien nur den Charakter weniger Jünger an. Wir erfahren so nebenbei, daß Simon Petrus ein temperamentvoller Stimmungsmensch war, Thomas ein Skeptiker, Natanael ein musterhafter Israelit, Levi-Matthäus ein Zöllner, Judas Iskariot schon von seiner Herkunft her ein Außenseiter, Johannes und Jakobus »Donnersöhne« genannt wurden und Philipp Griechisch konnte — mehr eigentlich nicht. So bleibt es dem Schreiber unbenommen, die Charaktere auszuschmücken; dem Leser aber bleibt es unbenommen, dies abzulehnen und sich eine eigene Geschichte auszudenken mit würdigen Familienvätern, die ihre freie Zeit damit verbringen, ihren Heiligenschein zu polieren anstatt die schadhaften Netze zu flicken. Zugegeben, vermutlich waren die meisten Jünger älter, als sie in meinem Buch erscheinen, aber ihr Herz muß jung geblieben sein, sonst wären sie kaum dem Aufruf des Meisters gefolgt, alles zu verlassen.
    Der Aufenthalt des Apostels Johannes in Ephesus ist genauso geschichtlich verbürgt wie die Tatsache, daß der junge Polykarp sein Schüler war. Er wurde später Bischof von Smyrna und erlitt 156 in hohem Alter den Märtyrertod. Der Legende nach soll er übrigens Anführer einer jugendlichen Gangsterbande gewesen sein, bevor ihn Johannes bekehrte. Dieses Motiv wurde im vorliegenden Buch aber nicht berücksichtigt; es wäre womöglich zu modern ausgefallen.

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