Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwölf um ein Bett

Zwölf um ein Bett

Titel: Zwölf um ein Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
Vom Netzwerk:
Kittelschürze hervorsahen.
    »Sie kommen doch und nehmen auch einen Schluck, wenn Sie sich umgezogen haben, ja?« fragte Oliver, als sie fertig war.
    »Ich muß Mrs. North beim Abendessen helfen, sobald ich meinen Kittel abgelegt habe.« Sie faltete die Handtücher zusammen und ergriff seinen schmutzigen Pyjama.
    »Nun, Sie brauchen nicht wie eine Pythia über dieses Problem zu grübeln, nicht wahr? Sie können ja kurz kommen und wieder gehen. Ma macht es ja genauso. Herein!« brüllte er auf ein Krabbeln an der Tür hin. Die Klinke flog herunter, und mit einem gefährlichen Scheppern und Klirren erschien Mrs. Cowlin, über ein Tablett mit Getränken gebeugt. Sie setzte es auf einen Tisch, blinzelte unter ihrer Haarfrisur verstohlen zu Elisabeth hinüber und schlich wieder hinaus, als ob der Fußboden aus dünnem Glas bestünde.
    »Hier«, sagte Oliver, »trinken Sie einen Schluck, ehe Sie gehen.«
    »Danke, ich trinke nicht, Major North.«
    »Warum nicht? Aus Prinzip, oder schmeckt’s Ihnen nicht?«
    »Danke, ich möchte nicht. Ich trinke nicht«, wiederholte sie, ohne auf seine Frage zu antworten. Sie trug die Waschschüssel hinaus, um sie in der Toilette auszugießen. Oliver hoffte, daß sie sich nicht als zweite Ausgabe jener Lazarettschwester entpuppen würde, die stets vor sich hinlächelte, weil sie sich so schön fromm fand. Sie erzählte ihm oft, er würde noch wiedergeboren werden, er ertappte sie einmal dabei, wie sie über ihm betete, als sie dachte, er schliefe.
    Ein eichener Miniatursessel, Überbleibsel aus einer elisabethanischen Kinderstube, wurde für David in Olivers Zimmer gestellt. Beim Abendbrot trug David ihn ans Bett und zog den Schemel, den er als Tisch benutzte, zu sich heran. Da die Fensternische, in der Olivers Bett stand, eine Stufe höher lag als der Fußboden des Zimmers, sah er den kleinen Jungen in dem niedrigen Stuhl aus der Vogelperspektive. Er sah auf die wie geleckten schwarzen Haare mit dem Wirbel, aus dem eine Tolle wie ein Sturzbach in die Stirn schoß.
    Wenn sich Davids Kopf über die Kekse oder die ausgeschnitzten Ranken des Schemels beugte, zeichneten sich die Wimpernbogen von den dicken, runden Backen ab; wenn er den Kopf zurücklegte und den Zwischenrufen seiner Mutter, »nun trink schön aus«, folgte, verschwand sein ganzes kleines Gesicht hinter dem weißen Porzellanbecher, bis auf die zwei feuchtschwarzen Augen, die starrten und starrten und immer noch starrten, nachdem er den Becher schon abgesetzt und mit einem tiefen Seufzer die Luft freigab, die er während des Trinkens zurückgehalten hatte.
    »Wisch deinen Schnurrbart ab«, sagte Oliver und reichte ihm sein Taschentuch herunter.
    »Ja«, sagte David und dachte dabei an etwas ganz anderes. »Onkel Oliver, ich muß dir was erzählen. Wie schneidest du deine Fußnägel, wenn du doch gar keine Zehen hast?«
    »Tu ich gar nicht. Ich feile sie. Es ist sicherer, wenn man sie gar nicht sehen kann.«
    »Ich möchte dir noch was anderes erzählen...«
    »Du meinst fragen«, sagte Heather vom Tisch her, an dem sie Olivers »drink« mixte.
    »Wie merkst du eigentlich, ob du ein Loch im Strumpf hast, wenn dein großer Zeh doch gar nicht herausgucken kann?«
    »Ich kann es fühlen. Die Ränder des Loches scheuern meinen Zeh, wenn ich damit wackle.«
    »Du solltest ihn nicht zum besten halten, Ollie«, sagte Heather, als sie ihm sein Glas brachte. »Es ist doch schlimm, wenn er einmal sieht, daß du nur noch ein Bein hast.«
    »Vielleicht habe ich dann schon mein Korkbein. Das wird ein schönes Geschrei geben. Er kann mein Bein dann anstupsen, soviel er will.«
    »Ja, bis er dann aus Versehen dein heiles Bein trifft.« David war aufgestanden und starrte gebannt auf die Höhle unter dem Schutzgestell. »Wackelst du jetzt mit den Zehen? Ja? Darf ich unter die Bettdecke gucken?«
    »Du darfst nicht«, sagte seine Mutter und griff ihn beim Wickel. »Komm, du kannst ins Bett gehen, wenn du deine Milch ausgetrunken hast. Ich habe vor dem Abendessen noch eine Masse zu tun.«
    Davids Gesicht wurde puterrot und verzerrte sich. Er schlug mit beiden Händen gegen seine Mutter. »David — hör auf!« Sie warf ihren Kopf zur Seite, und ihr Gesicht war von dem gleichen jähzornigen Temperament rot wie das Davids.
    »Sieh mal, was du mit meinem Haar machst, du kleiner Teufel. Du hast nicht nach mir zu schlagen! Oh, Ollie — was macht man nur dagegen? Immer hab’ ich dies Theater mit ihm — , hör auf, David!« Es gelang ihr, Davids

Weitere Kostenlose Bücher