Zwölf Wasser Zu den Anfängen
sprechen.«
»Ich kenne niemanden mit diesem Namen«, antworteteBabu erstaunt. »Warum will er mich sehen? Bist du ganz sicher, dass dies kein Irrtum ist?«
Der Reiter schüttelte den Kopf. »Kein Irrtum. Es sei denn, ich spreche hier nicht mit Badak-An-Bughar aus dem Clan der Bator, genannt Babu. Mein Vater bittet Euch, mit mir zu kommen.«
Babu blickte ratlos Jator an, aber der zuckte auch nur die Achseln.
»Wie war sein Name? Kank?«, fragte Jator.
»Ja.«
»Und er stirbt?«
»Ja. Ich bitte Euch, Babu, wir müssen uns eilen.«
»Den Ruf eines sterbenden Mannes darf man nicht überhören«, sagte Jator ernst und wandte sich Babu zu. »Du wirst gehen müssen.«
»Ja, das muss ich wohl«, sagte Babu und warf dem Pony den Sattel über, was diesem sichtlich missfiel. Kurz darauf galoppierte er mit Dants Sohn der Stadt zu – Juhut begleitete sie fliegend.
Das Gerberviertel war in der aufziehenden Dunkelheit noch unheimlicher als bei Tage. Die Öfen streuten gelbrotes Licht in die brodelnden Knochenmilchgruben, die Faulgase ließen die Kahlung schmatzen und der trübe Schein von Fackeln warf zuckende Schatten zwischen die Zelte und gespannten Häute. Aber Dants Sohn fand sich zurecht. Der Meister erwartete sie.
»Es geht bald zu Ende«, sagte er ohne Umschweife und führte Babu an das Lager eines nur mit einem dünnen Tuch bedeckten, regungslos in seinem Schweiß liegenden Mannes. Auch im trüben Licht der einzigen Lampe war deutlich zu erkennen, dass die Derst-pir ein weiteres Opfer forderte. Babu wollte gerade den Meister um Aufklärung bitten, als der Manndie gelben Augen aufschlug und ihn glasig anstarrte; sein Geist schien sich bereits von ihm zu lösen. Erst als der Mann mühsam versuchte sich aufzurichten, bemerkte Babu, dass er an Händen und Füßen gefesselt war: Die knochigen Gelenke waren mit gedrehten Lederriemen verbunden, sodass sein Bewegungsspielraum begrenzt war.
»Da ist er ja, der Sohn des Friedens«, ächzte er. »Ist er nicht schön! Und so hochgewachsen! Sieht gar nicht wie ein richtiger Merzer aus, unser Babu.«
Er hustete.
»Was wollt Ihr von mir? Ich kenne Euch nicht.« Babu hatte wenig Lust, sich zum Narren halten zu lassen – auch nicht von einem Sterbenden.
»Aber ich kenne dich, Babu. Und noch viel besser kannte ich deinen Vater.«
»Was wisst Ihr von ihm? Was soll das alles hier überhaupt?«
»Ungeduldig wie ein durstiges Kälbchen, der junge Babu. Man könnte glauben, nicht meine Zeit läuft ab, sondern seine.«
Er lachte, was ihm offensichtlich große Schmerzen bereitete. Babu riss sich zusammen und wartete, bis der Sterbende weitersprach: »Ich kannte Ardat-Ilbak gut, besser als manch anderer. Weißt du, Kälbchen, ich habe
seine Seele gesehen
.«
Babu wusste, was das heißt, aber er sagte nichts.
»Ich habe seine Seele gesehen«, sagte der Mann wieder und riss die Augen noch weiter auf. »Ich habe ihn sterben sehen. Ich. Ich habe ihn erstochen.«
Eine unglaubliche Behauptung. Babu biss die Zähne aufeinander. Er war davon ausgegangen, dass die Männer des letzten Aufstands alle auf irgendeine Weise gestorben oder sogar hingerichtet worden waren und die große Geste der Vergebung nur die restlichen Tartor umfasst hatte. Denn sowohl die Großtaten als auch die Verbrechen eines Einzelnen fielen immer aufden ganzen Clan zurück. Dass Bator Thon nicht
alle
Tartor für den Tod des Bruders hatte büßen lassen, war großherzig gewesen. Dass er sogar den Mörder selbst am Leben gelassen hatte, war unfassbar.
Babu blickte in die gelben Augen des Sterbenden, der ihn unverwandt anstarrte. Der Mörder seines Vaters.
»Ich habe sie gesehen«, murmelte der Mann, dessen Sinne zu schwinden begannen, »und sie war schön. Bereut habe ich, all die Zeit, die Zeit. Mein Leben. Ein Fehler. Der eigene Bruder.« Er richtete sich mit letzter Kraft auf. »Geh, hau ab! Kleines Kälbchen, große Augen.«
Er sackte in sich zusammen. Meister Dant schloss dem Toten die Lider und zog ihm das Tuch übers Gesicht. Dann führte er den verwirrten Babu zurück ins Hauptzelt.
»Das wird dir alles rätselhaft sein, Babu, die Zeit war knapp, lass mich dir nun erklären. Ich …«
Dant wischte sich über die Augen, der Tod des Mannes schien ihn mitgenommen zu haben.
»Alles werde ich nicht aufklären können«, sagte er schließlich, »denn mein Vetter – ja, Kank war mein Vetter, der Sohn des ältesten Bruders meines Vaters – Kank hat vieles für sich behalten. Einerseits,
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