Der Krieger und der Prinz
1
Herbst 1217
Brys Tarnell war kein frommer Mann, und das rettete ihm an diesem Tag das Leben.
Der Angriff erfolgte bei Hochsonne , als Sir Galefrid von Bullenmark und die meisten seiner Männer in der winzigen Kapelle eines winzigen Weilers ihre täglichen Gebete verrichteten. Seit Galefrid seine fromme junge Frau aus Seewacht geheiratet hatte, war er viel religiöser geworden; während ihrer ganzen Reise hatte sie darauf bestanden, dass sie für die Mittagsgebete in der nächstbesten Kapelle Halt machten, und er hatte ihr den Wunsch erfüllt. Mittlerweile war ihre Gewohnheit allenthalben bekannt, und der jeweilige Dorfsolaros sorgte dafür, dass die Kapelle vor ihrer Ankunft für sie bereit war.
Brys war als Einziger unter den Rittern in Galefrids Gefolge kein Gesalbter der Sonne, und daher gestattete man ihm – erwartete man sogar von ihm –, sich von diesem täglichen Unsinn fernzuhalten. Er war gerade aus dem Dorfgasthaus getreten, um dem Ruf der Natur zu folgen, als er das Sirren von Bogensehnen hörte und die erste Salve von Feuerpfeilen sah, die dunklen Rauch hinter sich herzogen und durch die offenen Fenster in die Kapelle zischten.
Vor den Türen der Kapelle wartete ein Dutzend Männer. Männer mit harten Gesichtern, in Rüstungen aus geöltem Leder und Kettenhemden, die bessere Schwerter trugen, als der gewöhnliche Bandit sie sich leisten konnte. Sie standen zu beiden Seiten der Türen, unsichtbar für die Menschen in der Kapelle, für alle anderen jedoch deutlich zu sehen. Aber von den Dorfbewohnern hatte keiner sich bemerkbar gemacht, um die Betenden zu warnen.
Ein Hinterhalt.
Es hätte ihn nicht überraschen sollen. Sie waren Narren gewesen, dass sie sich über die Grenze gewagt hatten, um einer vagen Hoffnung auf Frieden nach Langmyr zu folgen. Andererseits war Sir Galefrid niemals der Hellste gewesen. Mutig, aber nicht weise. Er war ihnen direkt in die Falle gegangen, und er hatte seine Frau mit dem Säugling dabei.
Die Männer draußen vor der Kapelle trugen keine Farben, aber Brys war Veteran Hunderter Kämpfe auf Schlachtfeldern und in Gassen, und er brauchte kein Wappen zu sehen. Er wusste auch so, dass er ausgebildete Soldaten vor sich hatte. Das waren keine verzweifelten Kuhhirten. Das waren Mörder, und das Morden begann, als Galefrids Männer hustend und mit roten Augen aus der raucherfüllten Kapelle taumelten.
Der Erste war der junge Caedric Alsarring. In gebückter Haltung rieb er sich die tränenden Augen und hatte auch nicht den Hauch einer Chance, seinem Tod ins Auge zu sehen, bevor ihn dieser ereilte. Die Männer an der Tür sprachen kein Wort. Keine Drohung, keine Frage, keine Forderung nach Lösegeld. Einer schwang sein Schwert in einem zischenden Bogen, und Caedric taumelte und hielt sich die Kehle, während ihm das Leben rot zwischen den Fingern hervorquoll. Der Mann hinter ihm stolperte über den Körper des jungen Mannes und kam in Reichweite der Meuchelmörder. Ein Schwert zerschlug ihm ein Knie und ein anderes traf ihn im Nacken. Er fiel und stand nicht wieder auf. Dahinter erhoben sich im Rauch Schreie der Verwirrung und dann der Furcht.
Brys hatte genug gesehen. Er löste sich von der rauen Gipsmauer des Gasthauses und legte eine Hand auf den Griff seines Schwertes, während er sich langsam hinter das Gebäude schob. Er konnte nichts tun, um dem Gemetzel Einhalt zu gebieten, oder zumindest nichts, was er hätte versuchen wollen. Er war ein einziger Mann mit einem einzigen Schwert; an den Türen standen Dutzende Männer, und die Bogenschützen hatte er noch nicht entdeckt. Weder Sir Galefrid noch seine Männer waren bewaffnet, denn die Sitte untersagte es, außerhalb der Vigil Stahl in Celestias Heiligtümern zu tragen. Wer immer diesen Mord geplant hatte, er hatte seine Sache gut gemacht. Lämmer hätten eine bessere Chance gehabt, dem Beil des Schlachters zu entfliehen.
Die Ställe wirkten verlassen. Er verweilte noch einen Augenblick im Schatten des Gasthauses und suchte Dächer und Gassen nach Anzeichen von Gefahr ab, dann eilte er durch den offenen Innenhof, bis er die Sicherheit der Ställe erreichte. Wegen des Geruchs nach Rauch und Blut stampften die Pferde nervös mit den Hufen, aber noch waren sie nicht in Panik geraten. Brys nahm seine Satteltaschen vom Haken und öffnete leise die Box seines braunen Wallachs.
»Ganz ruhig«, murmelte er, während er dem Pferd die Nüstern streichelte. Der Wallach sah ihn mit dunklen, glänzenden Augen an. Er war ein
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