Zwölf Wasser Zu den Anfängen
verbunden war, dass er niemals wieder einenSchritt würde tun können. Das Gefühl dieser Verbindung war überwältigend, war absolut. Es war nicht vergleichbar mit der Zuneigung, die ihn schlagartig treffen konnte, wenn er Ristra aufgeregt mit ihrem Bruder flüstern hörte, der noch zu klein war, um sie zu verstehen, oder wenn Estrid, mit irgendetwas beschäftigt und konzentriert auf ihr Tun, sich die Haare hinters Ohr strich – denn das war ein zwar tiefes, aber gerichtetes Gefühl. Was er jetzt an diesem Ort verspürte, war nicht einmal zu vergleichen mit der Liebe, die Felt empfunden hatte, als die schläfrige Ristra sich nach dem Angriff der Sedrabras von Estrid umarmen ließ und er Strems kleinen Kopf in seiner Hand hielt und sie alle gerettet waren vor der Angst, der Sorge, dem Tod. Denn auch dieses Gefühl hatte eine Richtung gehabt, es meinte andere Menschen.
Das hier war umfassend, es meinte alles.
Felt stand fest auf der Verbundenheit mit der schier endlosen Weite dieses Landes, er war grenzenlos verpflichtet, mehr noch, er stand in der Treue
an sich
.
Er japste nach Luft.
»Ich bin Smirn«, sagte die Dunkle und bedeckte ihr Haupt wieder mit der Kapuze. Felts Herz schlug heftig, er bemerkte es erst jetzt.
»Utate«, sagte die Schöne. Auch sie verhüllte sich wieder, ebenso die letzte, die zierliche Wortführerin.
»Und mich nennt man Reva.«
Sie wandte sich ab, saß auf. Felts Herzschlag wurde langsamer, er versuchte einen Schritt und es ging. Neben seinen staubigen Stiefeln funkelte das Wasser. Felt steckte sein Schwert weg. Eben erst hatte er etwas gefunden, von dem er nicht einmal gewusst hatte, dass er es vermisste. Er hatte Welsien wiederentdeckt und musste es beinahe im selben Moment wieder verlassen.
Er fügte sich, dies war erst der Beginn. Er würde weggehen, er konnte wiederkommen.
Schweigend wie auf dem Hinweg ritten sie zum Nachtlager zurück. Die Nukks fanden den Weg allein, es war nicht notwendig, sie zu lenken. Felt registrierte nur noch nebelhaft, wie unbegründet seine Sorge gewesen war. Die Zügel glitten ihm aus den Fingern und sein erschöpfter Sinn versuchte erfolglos herauszufinden, was Vertrauen eigentlich bedeutet.
NEUNTES KAPITEL
FESTGESETZT
Felt stand in grauem Schlamm und blickte über den Eldron zum anderen Ufer, zum grünen Ufer. Dunst hing über den Wiesen, eine Abendkühle zog schon vom Fluss auf. Er sah den gegenüberliegenden Posten der Pramer: genau wie auf dieser Seite ein Turm und ein paar flachere Gebäude, Quartiere, Baracken, Stallungen, und ein kurzer Steg für das Boot, das die Pramer benutzten, um Männer, Material und Vorräte ans Ascheufer zu bringen. Felt sah den dunklen Schatten des Waldes in der Ferne und dahinter die ersten Ausläufer der Galaten, die das Rückgrat des Kontinents bildeten. Auf deren anderer Seite breiteten sich die weiten Graslande der Merzer aus – eine Gegend, die Felt nur vom Hörensagen kannte. Von seinem Standpunkt aus sah er außerdem noch ein paar verfallene Bauten: den Beginn der Lagerstadt, das Ziel des Trecks. Stromaufwärts, im Norden, schwebten schemenhaft die Zwillingstürme von Pram über dem bewaldeten Ufer. Die Stadt selbst war verborgen hinter der weiten Flussbiegung, in welcher der Eldron aus dem Pramsee abfloss.
Estrid hatte übersetzen dürfen; ihr war ein mit einem Brandzeichen markiertes Holztäfelchen ausgehändigt worden, genausowie den Kindern und jenen Soldaten, die Pram den Welsen zugestand. Wegen des Sedrabra-Vorfalls waren es weniger als üblich, dafür aber besonders erfahrene Männer. Treck und Eskorte mussten sich trennen, das war schon in Goradt klar gewesen. Doch dass dieser Zeitpunkt bereits jetzt gekommen war, brachte Marken aus der Fassung: Der Kommandant des pramschen Postens auf dieser Seite des Flusses, am Ascheufer, ließ zwar den Treck durch, weigerte sich jedoch, die Offiziere passieren zu lassen. Er war noch jung, aber er besaß genug militärische Kenntnis, um sofort zu erkennen, dass sich die Eskorte der Hohen Frauen aus Männern eines eigenen Schlags zusammensetzte. Sie waren in tiefem Schwarz gerüstet und allesamt deutlich größer als die Soldaten aus Pram, dazu breitschultrig und mit abgehärmten, strengen Gesichtern. Die Besatzung des pramschen Kontrollpunkts sah sich einer welsischen Eliteeinheit gegenüber und das machte sie mehr als nervös. Marken und auch Felt waren beide schon mehrmals den Lendern über in der Lagerstadt gewesen – es war einiges an
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