Zwölf Wasser Zu den Anfängen
sein, Estrid. Schweig du nur, ich werde dich finden, ich … Ich habe keine Angst vor der Stille!«
Das war gelogen und Felt hatte weiche Knie, als er von Estrid wegging. Aber bald schon vertrieb ein Grimm die Angst und ließ ihn schneller ausschreiten. Was sollten denn diese finsteren Andeutungen? Dieses
Warte nur ab
? War dies alles am Ende einfach nur ein willkommener Anlass, ihn zu verlassen, sich einen Besseren zu suchen – und dabei schuldlos wegzukommen?
Wenn es so war, dann konnte er nichts tun, als sie zu beschämen, indem er wiederkam. Es konnte schließlich nicht so schwer sein, ein paar Quellen zu finden und sich dabei um eine Frau zu kümmern, die offenbar sehr anspruchslos war, die weder schlief noch aß oder trank, die kein Gepäck mit sich herumschleppte und niemals die Kleider wechselte. Die im Großen und Ganzen schweigsam war wie eine Pflanze. Er musste einfach nur tun, was er immer getan hatte: wachsam sein und dem Folge leisten, was man ihm auftrug. Ob nun sein Hauptmann oder ein Pramer den Befehl gab, machte keinen Unterschied. Felt spürte keinen Widerstand in sich, wie ihn Estrid spürte. Sie war immer aufsässig gewesen, nur hatte sich das bisher nicht gegen ihn gerichtet. Sie hatte ihn gegen den Willen ihres Vaters zum Mann genommen, sie hatte ihre gesamte Mitgift auf Bücher verwandt. Felt ließ sie gewähren, sie brauchten ihr Geld nicht, er hätte sie auch zur Frau genommen, wenn er dafür hätte bezahlen müssen. Vielleicht, dachte Felt, war doch er, ihr eigener Mann, der Stein gewesen, der Estrid über all dieSoldern den Ausgang aus ihrem Gefängnis versperrt hatte. Sie selbst hatte ihn dorthin gerollt – doch nun waren die Dinge in Bewegung geraten. Im Grunde wusste er nicht viel von seiner Frau oder von der Frau, die sie
auch
war. Felt kannte nur
seine
Estrid, und gegen die konnte er keinen Groll hegen, nicht auf Dauer. Diese Estrid meinte er, zu der würde er zurückkehren, das war kein unmögliches Unterfangen. Etwas ging vor in der Welt, das mochte schon sein, aber es war nicht an ihm herauszufinden, was das war. Er war nur Eskorte, er ging nur mit. Er trug nicht einmal die Verantwortung, die war bei Marken. Felt sperrte die glatte Kälte, die durch ihn hindurchgefahren war, als die Unda Ristra berührt hatte, in dieselbe Kammer, in der er die Angstwelle aus der Grotte gefangen hielt, und setzte sich ein neues Ziel: zu seiner Familie zurückkehren. Was auf dem Weg geschehen würde, konnte er an sich vorbeiziehen lassen. Er hatte sein halbes Leben damit verbracht, in eisigem Wind im Kreis auf dem Wall zu gehen, er hatte die Geduld und die Disziplin, auch einen größeren Kreis zu ziehen.
Felt war einigermaßen zuversichtlich und wieder ruhig, als er in der Offiziershütte anlangte und dort auf Marken traf.
»Ah, Felt«, begrüßte ihn dieser, »ich wollte gerade nach dir schicken lassen. Wir haben Meldung von drei Sedrabras, wahrscheinlich eine Mutter mit zwei Jungtieren. Wir müssen die Nukks zusammenhalten.«
»Ich kümmere mich darum.«
»Ich frage mich, ob wir nicht versuchen sollten, sie zu erlegen. Wir können in den Aschenlanden keine Begleitung brauchen.«
»Sie werden uns nicht folgen.«
»Hm«, machte Marken nachdenklich, »da bin ich mir nicht so sicher. Der junge Basten hat die Katzen gesehen, wie sie auf einem Felsen lagen und sich sonnten.«
»Das ist ungewöhnlich, aber noch kein Grund zur Sorge, würde ich meinen.«
»Meinst du also, Felt, kein Grund zur Sorge …« Marken senkte seine Stimme, wohl instinktiv, denn sie waren allein und niemand hätte sie hören können. »Aber was, wenn ich dir sage, dass sie auf den Jungen zugepirscht sind? Dass er seine Fackel schwenkte, bis er glaubte, ihm würde der Arm abfallen, und dass die Katzen einfach weitergingen? Ihn umkreisten, fauchten?«
»Haben sie ihn angegriffen?«, fragte Felt.
»Das nicht. Sie haben von ihm abgelassen, plötzlich, sind einfach verschwunden, mit ein paar Sprüngen bergauf. Felt, ich mache mir Sorgen. Selbst wenn der Junge übertreibt, sich ein wenig wichtigmachen will, weil er immer noch die Hosen voll hat vor Angst. Er war nicht der Einzige, der die Raubkatzen gesehen hat. Es sind drei, daran besteht kein Zweifel. Und drei von den Biestern sind eine ernste Bedrohung, so oder so.«
Dass Sedrabras sich bei Tageslicht zeigten, war ungewöhnlich, sie jagten nachts und waren leise, scheu und schnell. Ihr Fell war grau wie der Stein und ebenso glanzlos. Sie lauerten auf
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