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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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die Nacht hatte das Nukk verschluckt. Dass Felt immer noch schwache Konturen ausmachen konnte, lag nicht an seinen ungewöhnlich scharfen Augen, denn die hatte er nicht, sondern vielmehr an der Tatsache, dass er sie stundenlang auf die Stelle gerichtet hatte, an der das Tier angebunden war. Und so warf er, als es aufschrie und sein Schrei sich vermischte mit dem gedämpften Brüllen der Sedrabras, seinen Speer auf ein Abbild, das vor seinem geistigen Auge stand. Und er traf. Er oder einer der anderen Speerwerfer, kein Laut war mehr zu hören, kein Knurren, kein Klagen, kein Atem. Dann wurden Schwerter gezogen und Fackeln entzündet. Mit einem Satz sprang die Nacht hinter die Felsen und im Flackerlicht lagen zwei schöne, große Tiere, ein Jäger und seine Beute, aneinandergeheftet mit vielen schwarzen Speeren   – nur drei hatten das Ziel verfehlt.
    In dem Augenblick, als Felt sah, dass hier nur eine der Katzen den Tod gefunden hatte, begann er auch schon zu laufen. Marken hatte genauso schnell begriffen und Kersted rief: »Uns nach, zum Lager!«
    Mit blankgezogenen Schwertern und steifen Beinen stolperten die Welsen durch das tückische Gelände, sprangen über Steine, wenn sie sie früh genug ausmachen konnten, und strauchelten, wenn der Boden sich am Rand des tanzenden Lichtkreises der Fackeln plötzlich absenkte.
    Es war das Muttertier gewesen, das sie erlegt hatten, dessen war sich Felt sicher, auch wenn er nur einen kurzen Blick auf den mageren, aber muskulösen Kadaver geworfen hatte. Warum hatte sie sich ausgerechnet in dieser Nacht von ihren Jungen getrennt? Sedrabras kümmerten sich aufopfernd um ihren Nachwuchs, nicht selten vergingen zwei Soldern, bis die Mutter ihre längst ausgewachsenen Jungen in die Selbstständigkeittrieb. Vielleicht warteten die Jungtiere auf ihre Rückkehr, vielleicht hatten sie nicht das Lager angegriffen, es war keine Notwendigkeit. Im Gegenteil: Es wäre vollkommen unnatürlich, im Lager war Lärm und Licht, war Feuer   …
    Nur vier Mann waren als Wachen beim Lager geblieben, sie hatten auf ihre Falle vertraut. Marken hatte darauf vertraut, es war sein Plan gewesen, er war eben kein Jäger, er kannte das Wesen der Tiere nicht und rannte nun am schnellsten.
    Aber sie kamen zu spät. Noch bevor sie den Lichtschein der Feuer sahen, hörten sie schon den Aufruhr.
     
    »Wir waren völlig überrascht. Sie   … sie kamen einfach aus der Nacht gerannt, wie Schatten, wie   … Dämonen.«
    »Fass dich, Soldat!«
    Marken erlaubte dem zitternden Kimmed, sich zu setzen. Etwas, das er selbst gern getan hätte. Sich hinsetzen, den Kopf in die Hände legen, nichts mehr sehen, nichts hören. Aber er blieb stehen, schnauzte: »Und gebt ihm endlich was für den Arm!«
    Marken suchte Felts Blick, aber der sah über den Verletzten hinweg, starr, den Mund zum Strich verschlossen. Nur die Kiefermuskeln arbeiteten. Er war hier, bei der Befragung, natürlich, und er würde bleiben, bis sie einen ersten Überblick hatten über das, was geschehen war. Marken erkannte den Herrscher in Felt, deutlicher denn je. Aber gleichzeitig sah er den Freund.
    »Geh schon«, sagte Marken leise, »such sie. Sieh nach, ob es ihnen gut geht, mach schon! Das   … das ist ein Befehl.«
    Ohne ihn anzusehen, aufrecht und wie an einer Schnur gezogen, schritt Felt aus der Offiziershütte. Marken durchzuckte die Erinnerung an seine eigene Frau, an Lomsteds dunkle Augen, an das leise
Geh zu ihr
des Arztes, und wie er also gegangen war, zu ihr, ein letztes Mal.
    Kimmed stöhnte auf, als er sich den Lappen auf die Blutung presste.
    »Berichte!«
    »Sie haben von zwei Seiten angegriffen, gleichzeitig. Einer von Westen, von talwärts, das habe ich nicht gesehen, mein Posten war bei den Unterständen.«
    Kimmed schluckte, atmete stoßweise. »Mit einem Prankenhieb hat er   … sie konnte nicht schlafen, ich weiß nicht, warum, sie hat mir Ganse gebracht und wir haben ein paar Worte gewechselt. Ich   … ich weiß nicht mehr, worüber wir geredet haben   … ist das nicht seltsam? Ich weiß es nicht mehr, ich kann mich nicht erinnern, was sie gesagt   …«
    »Weiter!«, herrschte Marken ihn an.
    »Jawohl, Herr Offizier!« Kimmeds Gesicht war weiß wie Schnee. »Dann war das verdammte Ding da und hat nach Sillas Gesicht geschlagen, direkt vor meinen Augen, hat sie umgerissen, dann war er über ihr, in einem Atemzug   … ich   … ich hab auf ihn eingeschlagen, sie hat geschrien, Silla hat furchtbar geschrien  

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