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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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Rätselhaftigkeit. Er konnte sie unmöglich in die weglose Ödnis ziehen lassen   – er konnte sie aber auch nicht daran hindern. Sein Befehl lautete eskortieren, also musste er mitgehen. Er fingerte am Schwertgehänge, es glitt ihm aus der immer noch tauben Hand und fiel mit hohlem Klang aufs Holz der Plattform. Felt fluchte, hob es auf, zog den Gurt fest, saß auf und folgte den Undae in die mondhelle Nacht.
     
    Bevor das Lager außer Sichtweite kam, versuchte Felt, sich den Stand der Gestirne im Verhältnis zur Plattform einzuprägen, aber er wusste, wie müßig das war. Sie würden sich verirren. Er ärgerte sich, dass er sich wie ein unerfahrener Rekrut von den Frauen hatte überrumpeln lassen. Er suchte in der Aschewüste nach einer Landmarke, obwohl er wusste, dass keine zu finden war. Hier gab es nichts, nur lange Wellen grauen Grunds, und eine sah aus wie die andere. Es war wie immer windstill in den Aschenlanden und das Mondlicht war so hell, dass es ein eigenes Gewicht zu haben schien. Allmählich begann selbst Felts starker Wille unter der Wirkung des Landes einzubrechen. Er fühlte sich mit zunehmender Entfernung zu den anderen mehr und mehr bedrückt. Er, der Stunde um Stunde, Tag um Tag, Solder um Solder allein im Wind den Wall begehen konnte, sehnte sich mit einer nie empfundenen Inbrunst nach menschlicher Gesellschaft, seinen Kameraden, seiner Familie. Er begann die Ebene zu bevölkern. Vor seinem geistigen Auge entstanden umzäunte Weiden, Höfe, vor denen Kinder die Hühner umherscheuchten, und Felder, auf denen fröhlich Hand in Hand gearbeitet und die Ernte eingebracht wurde. Ein Teil seines Hirns wusste, wie lächerlich das war, doch der andere Teil scherte sich nicht darum und malte eine ideale Welt aus, in der alle Brüder waren.
    Dann hielten die Undae ihre Nukks an und alles war wie zuvor: Asche.
    Felt hatte nicht bemerkt, dass sie beständig leicht bergan geritten sein mussten. Als er sich jetzt umsah, konnte er sogar den schwachen Schein des Lagers in der Ferne ausmachen und wusste nun doch, wo er war. Auch wenn nichts übrig geblieben war vom grauen, glatten Stein, von gewundenen Treppen und hohen Hallen, von Mauern, so mächtig, dass fünfzehn Mann nebeneinander auf ihnen laufen konnten, und von Toren, so schwer, dass zehn mal zehn die Räder drehen mussten, um sie zu öffnen   – sie waren da: auf der Höhe von Wandt, dort, wo einst die uneinnehmbare Festung der Welsen gestanden hatte.
    Was sollte das nun bedeuten? Wollten sie ihn kränken? Hatten sie ihn aus dem Schlaf gerissen, damit er hier die Aussicht genießen konnte? Dann war der Ausflug ein Misserfolg, denn es gab hier nichts, was irgendwer hätte genießen können. Alles war Asche, hier auf dem Hügel wie unten in der Ebene, Asche. Asche entlang der Route, Asche von Horizont zu Horizont. Er saß ab   – und Asche wirbelte ihm um die Stiefel.
    »Verachte die Asche nicht, Felt«, sagte eine der Frauen und saß ebenfalls ab. »Die weiße Asche ist das reine Herz aller dauerhaften Dinge. Sie ist von allem Schmutz, allen falschen Regungen, allem falschen Denken geläutert.«
    Sie kam auf ihn zu und schob die Kapuze zurück, ihr kahler Schädel leuchtete im Licht des Mondes. Die in sich verschlungenen Narben, die jede Undae zeichneten, schimmerten weiß auf der Kopfhaut und wuchsen ihr wie Ranken über die Stirn bis um die wimpernlosen Augen. Augen, die so blass waren, so voller Licht, dass Felt glaubte, in zwei Monde zu blicken. Dann war ihm, als schaue er in ein dunkles Wasser, in dem lediglich ein Spiegelbild des Mondes schwamm, und im nächsten Moment erkannte er, dass auch dies eine Täuschung war, denn eswaren die Augen seiner Tochter, es war Ristra, die ihn aus dem Gesicht der Unda hinaus anblickte. Er konnte sich nicht rühren, er war gebannt von ihrem Blick. Sie sprach mit klarer, leiser Stimme: »Zieh dein Schwert.«
    Felt tat es.
    »Und nun   – grabe.«
    Er zögerte.
    »Tu es«, befahl die Unda, »grabe. Hier. Jetzt.«
    Felt fasste Anda mit beiden Händen und rammte das Schwert mit aller Kraft in den Boden. Vom eigenen Schwung mitgerissen, fiel er auf die Knie, das Schwert war bis zum Heft eingedrungen. Asche stob auf und bedeckte ihn, er kümmerte sich nicht darum, er drehte Anda, als rühre er in den weichen Innereien eines Untiers, das er endlich und endgültig zur Strecke bringen musste. Die Asche sackte nach, es war unmöglich, hier ein Loch zu graben, aber darüber dachte Felt nicht nach, er richtete sich

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