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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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auf, bereit, zum nächsten Stoß auszuholen.
    Ein kurzer, spitzer Schrei hielt ihn zurück.
    Die anderen beiden Frauen, die sich bislang schweigend im Hintergrund gehalten hatten, traten näher und klatschten in die Hände, sie hüpften, dass ihnen die Kapuzen von den Köpfen rutschten und die Asche wirbelte.
    »Sieh nur«, rief eine, deren Haut dunkel und deren Stimme rau wie Erz war.
    »Man muss nur wissen, wo man graben muss«, sagte die zweite nicht ohne einen gewissen mütterlichen Stolz. Ihr Gesicht schien Felt, als wäre es mit einem scharfen Meißel aus Granit herausgeschnitten und in langer, mühevoller Arbeit zur Vollkommenheit geschliffen worden. Er hatte noch nie etwas so ebenmäßig Schönes gesehen; es war erschreckend und er senkte schnell den Blick.
    Da sah er das Wasser aufquellen.
    Dort, wo eben noch das Schwert gesteckt hatte, blutete das Land. Ein feines Rinnsal grub sich durch die Asche wie Eiklar durch Mehl, glitzernd, lebendig, schnell. Felt sprang zur Seite und beobachtete sprachlos, wie das Wasser sich seinen Weg suchte, bald hierhin, bald dahin die Richtung wechselte, aber ständig weiter lief wie ein Hund, der Witterung genommen hat.
    »Psst«, machte die Unda, die Felt geweckt hatte, und legte den Finger an die Lippen. Sie schien Felt die jüngste der drei zu sein. Allerdings hätte er nicht sagen können, wer die älteste war. Er konnte das Alter keiner der Frauen schätzen. Nein, sie war nicht die jüngste, sie war nur die zierlichste der drei. Sie griff in ihr Gewand und zog ihre Phiole hervor, öffnete sie und gab einen Tropfen in die neugeborene Quelle.
    Nichts geschah.
    Wenn man es wollte, konnte man ein schwaches Aufquellen des Wassers erahnen, ein minimales Hochwallen, als der Tropfen hineinfiel, aber das war alles. Das Rinnsal blieb fingerdünn. Aber es floss   – hier, wo niemals Leben war, wo kein Tier, keine Pflanze, nicht einmal ein Stein zu finden war. Dies allein war erstaunlich.
    Die Unda lächelte Felt an. Nichts Geheimnisvolles war jetzt an ihr, die Augen waren nur Augen und die Narben nur das Ergebnis eines Rituals, von dem Felt lieber nichts wissen wollte. Ihr silbriges Gewand war staubig und glanzlos. Sie war in der Tat klein, geradezu schmächtig. Er hätte ihr mit einer Hand die Kehle zudrücken können   – allein der flüchtige Gedanke daran, der nicht mehr gewesen war als ein instinktiver Versuch, sich in ein Verhältnis zu dieser Fremden zu setzen, ließ eine Welle kalter Furcht durch Felts Adern rollen. Er begriff, dass sie ihn in einem Ausmaß beeinflussen konnte, das ihn zu ihrem Werkzeug machte. Und dass sie ihn nicht brauchte. Jedenfalls nicht, um sich zu verteidigen. Aber wozu dann? Wozu diese Expeditionmit ein paar halb verhungerten Soldaten, wenn sie keinen Schutz brauchten? Was die Undae wirklich in dieser Welt wollten, erschloss sich ihm nicht. Wem nützte ihr Wissen und wem diente ihre Macht? Es ergab doch alles keinen Sinn   … Felt wurden die Lider wie Blei, er fürchtete, im Stehen einzuschlafen.
    »Seht nur, wie müde er ist«, sagte die Dunkle.
    Felt wedelte mit der Hand und riss die Augen auf. Wenn er etwas konnte, dann war es wachbleiben.
    »Du musst nicht kämpfen, heute nicht«, sagte die Schmächtige. »Es ist alles getan, wir reiten zurück und du kannst schlafen. Du wirst wiederkommen und nach der Quelle sehen, es war dein Schwert, dein Stoß, der sie geweckt hat   – du wirst wissen wollen, was aus ihr wird, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Felt mit schwerer Zunge.
    Die Unda quittierte seine Zustimmung mit einem anmutigen Nicken, das ihm das Gefühl eingab, gerade eben einen Eid geschworen zu haben. Eine seltsame Pause entstand. Alle drei Undae blickten ihn unverwandt an.
    Felt stand im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit, spürte, dass etwas von ihm erwartet wurde, wusste nicht, was, und war müde. Er konnte nicht mehr denken, nichts vermuten, keine Rätsel lösen. Er konnte nur noch warten, er war leer, leer und still wie das Land. Er sah kein Wolkenmeer in den vom Mondlicht übergossenen Wellen, er sah keine Felder und Höfe, er sah kein alles verschlingendes Feuer, er sah kein großes Sterben   – er sah nur noch, was war: Asche. Das reine Herz aller dauerhaften Dinge. Das Letzte, das übrig blieb. Der Rest von allem, geläutert. Befreit.
    Dann, wahrhaftig aus dem Nichts heraus, wurde er sich seines Stehens bewusst und auch, wo er stand. Am richtigen Ort. Dort, wo er hingehörte. In seinem Land. In seiner Heimat, mit der er so fest

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