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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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sich.
    »Tarden. Sein Name ist Tarden.«
    »Also gut. Tragt Fenled und Tarden in die Hütte. Vorsichtig! Und Gerder: Du gehst mit. Gib Offizier Marken Bericht.«
    »Jawohl, Herr Offizier!«
    Erst als die Soldaten, schwarze Schemen vor flackernden Lagerfeuern, auf andere Schatten trafen, als Felt ein Mädchen bestürzt aufschreien hörte, wagte er es, sich zu dem hellen Flimmern umzudrehen.
     
    Die Undae standen wie gefallene Sterne vor der Tiefe der Nacht. Ihre Gewänder schienen aus sich heraus zu leuchten, schwach, aber dieses kühle, weiße Glimmen war eine Wohltat, ein angenehmer Hauch, der über Felts Seele strich und die Sorge davonwehte. Er ging darauf zu. Eine der Frauen trat beiseite. Zwischen ihnen stand Ristra, mit hängenden Armen, leicht schwankend, nur halbwach.
    »Ristra!«
    Das war Estrids Ruf.
    Sie kam auf Felt zugeschossen, mit wehenden Haaren, den langen Rock bis über die Knie geschürzt, den heulenden Strem mit eisernem Griff gegen die Brust geklemmt. Sie reichte ihn Felt, ohne ihn anzusehen, ihre Augen waren nur bei Ristra. Felt nahm ihn, Estrid beugte sich vor, öffnete die Arme. Eineder Frauen gab dem Kind einen sanften Stups und Ristra ging langsam taumelnd auf Estrid zu, ließ sich von ihr umarmen. Sie schaute über die Schulter der Mutter hinweg zum Vater, verschlafen und fragend. Einen Moment lang waren sie sich wieder nah, und dieser Moment kam Felt besonders wahr und gleichzeitig unwirklich vor. Als habe jemand alle Augenblicke der Nähe zwischen ihnen übereinandergelegt und herausgekommen war dieser eine, jetzt, die Summe von allem und dennoch neu, klar und eigen. Felt stand, die Hand um Strems runden Kopf gelegt, in der Essenz seiner Liebe zu diesen drei Menschen.
    Dann richtete sich Estrid auf, zögerlich, so als wolle sie ihr Kind nicht loslassen, noch nicht und nie mehr. Sie sah zu den Hohen Frauen, die immer noch reglos standen, ein dreifaches, schmales Glänzen im Schwarz, unbeeindruckt und unantastbar. Estrid wandte sich Felt zu, nahm ihm den nun wieder ruhigen Strem aus dem Arm, setzte ihn sich auf die Hüfte, die kleinen Fäuste krallten sich in ihre Haare. Sie nahm Ristra bei der Hand. Sie sah Felt an. Ein mattes, warmes Lächeln. Sie senkte den Kopf und ging, ohne ein Wort.
     
    Im Morgengrauen hatten sie begonnen, die versprengten Nukks zu suchen, aber auch als die Sonne schon über die Berge kam, fehlten immer noch viele Tiere. Niemand gönnte sich eine Pause, sie tranken Suppe im Stehen und in den müden Gesichtern der Männer war eine Wut, wie man sie bei den Welsen lange nicht gesehen hatte.
    Nach einer weiteren Nacht, die unruhig, aber klar und ohne Vorkommnisse war, brachen sie früh am folgenden Morgen auf. Bei dem nächtlichen Drunter und Drüber im Lager waren noch zwei Mädchen zu Schaden gekommen. Ein verdrehter Fuß, eine verbrannte Schulter, nichts Ernsthaftes. Es war daszerschmetterte Antlitz ihrer Freundin, das sie zurück in die tröstenden Arme ihrer Eltern trieb, und niemand konnte es ihnen verdenken. Vier Soldaten sollten den traurigen Zug begleiten und beschützen. Kimmed, der immer noch unter Schock stand und dessen Wunden sich zu entzünden begannen, sollte mit den anderen Verletzten und den beiden Toten zurück nach Goradt gebracht werden. Er weigerte sich, und erst als Kersted drohte, ihn fesseln zu lassen, fügte er sich und sagte kein Wort mehr.
    »Er gibt sich die Schuld an Sillas Tod«, sagte Kersted zu Felt. Alle Reiselust war von dem jungen Pfadmeister abgefallen, er machte sich Sorgen um seinen Untergebenen und Kameraden, Kimmed gehörte zu seinem Trupp.
    »Ich hoffe nur«, sagte Felt, »dass sie es schaffen, bevor das Fieber ihn packt. Er hat ganz allein einen Sedrabra zur Strecke gebracht. Wenn ihm das bewusst wird, wird er verstehen, dass er nicht verantwortlich ist für Sillas Tod, sondern im Gegenteil Schlimmeres verhindert hat.«
    »Waren das wirklich nur einfache Sedrabras?«, sagte Kersted wie zu sich selbst, deshalb gab Felt keine Antwort.
    »Felt?«
    »Was?«
    »Ich frage dich: Waren das einfach nur Sedrabras? Waren sie nicht zu klug, zu   … böse? Hat die Mutter uns nur abgelenkt? Sich geopfert? Damit die Jungen besser Beute machen konnten?«
    »Pfadmeister Kersted, es waren Tiere. Hungrige Tiere, nichts weiter. Tiere machen keine Opfer und keine Angriffspläne. Es war ein Unglück, ein schrecklicher, unglücklicher Zufall. Nichts weiter.«
    Kersted schwieg. Dann nickte er.
    Zwei Stunden war der Tag alt, als sie sich trennten.

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