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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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die niemals kamen. Im bleichen Mondlicht, das sich mittlerweile in die Ebene ergoss, erinnerte die Ascheschicht Felt an die Wolkendecke des Bersts. Auch hier war die Ausdehnung grenzenlos und man konnte sich fragen, was darunter verborgen war. Aber das Gefühl war ein anderes. Die sich ewig wandelnden und ineinanderschiebenden Wolkenformationen über dem Berst öffneten ihm den Geist und ließen ihn tief Luft holen; die leblose Asche schnürte ihm die Kehle zu. So erschöpft er war vom Tagesritt, er wollte nicht stehen und schauen, es kam ihm vor, als stünde er in seinem eigenen Tod. Kersted ging es ähnlich. Auch er musste sich bewegen, etwas Handfestes tun, um sich der deprimierenden Wirkung des Landes zu entziehen. Also zündeten sie Fackeln an, lösten Schnüre, schlugen schweres Segeltuch auf, gruben versiegelte Tongefäße aus   – das Heu war trocken und duftete immer noch schwach nach Kräutern, das Wasser war kühl und schmeckte angenehm erdig. Es war dieAufgabe des heimwärts ziehenden Trecks, die Vorräte an den Plattformen aufzufüllen, und es war die Eigenschaft dieser besonderen, weißen Asche, sie zu konservieren. Felt schnitt einen dicken Pfropfen von einem Gefäß und schon der Duft, der ihm entströmte, sagte ihm, dass er einen Treffer gelandet hatte: süße, gelbe Äpfel, die knackten, wenn man hineinbiss.
    »Das ist das Beste, was ich je gegessen habe.«
    Kersted wischte sich den Saft vom Kinn.
    »Warte, bis wir die Trauben gefunden haben«, sagte Felt. »Aber lass uns erst so viel wie möglich ausgraben und hochstellen, bevor die anderen kommen.«
    Er wusste, wie sehr es vor allem die Jüngeren angriff, wenn sie mit ansehen mussten, wie in der Asche gewühlt wurde. Einige brachten es nicht einmal über sich, einen Fuß in die samtig weichen Flocken zu stellen   – es grauste sie davor. Um niemanden zu beschämen, ritten immer zwei oder drei Soldaten voraus, erledigten die staubige Arbeit und machten dann das Begrüßungskomitee für die Nachfolgenden: Felt und Kersted reichten Äpfel und hoben den einen und anderen, ohne zu fragen, gleich aus dem Sattel auf das Podest.
    Das Mahl war nicht üppig, ein paar Happen nur für jeden, aber die Besonderheit der Speisen   – Äpfel, Pfirsiche und kleine grüne Pflaumen, dunkelviolette Trauben, mit Nüssen gefülltes Gebäck und dazu ein prickelnder, heller Wein   – machte glücklich. Die Sorgfalt, mit der ihnen dieses Nachtmahl vorbereitet worden war, ließ die Welsen die Einsamkeit vergessen, mit der sie über Tag gekämpft hatten. Und genau das war der Sinn. Mit jedem Schluck Wein hob sich der Mut, mit jedem Bissen wuchs die Dankbarkeit gegenüber den Brüdern und Schwestern und der Wunsch, auf dem Heimweg für den folgenden Treck noch köstlichere Leckereien zu verstecken. So seltsam es war, nichts hätte die Welsen enger zusammenschweißen können als dastote Land. Zufriedenheit lag auf den Gesichtern der Schlafenden, die alle einen gemeinsamen Traum träumten. Schnell waren ihnen die Augen zugefallen   – wer einmal mehr als auch nur eine Stunde geweint hat, weiß, wie vollkommen die darauffolgende Erschöpfung ist.
     
    »Wach auf, Felt, Serleds Sohn!«
    Er fuhr hoch. Hatte er seine Wache verschlafen? Die Undae umstanden ihn, schimmernd im Mondlicht, die Gesichter verborgen im Schatten der weiten Kapuzen. Er versuchte die Müdigkeit abzuschütteln, es ging schwer, er konnte nicht lange geschlafen haben. Eine der Frauen reichte ihm die Hand, Felt nahm sie. Und war augenblicklich hellwach. Die Hand war kalt wie Eiswasser, die Kälte lief seinen Arm hinauf und durchströmte ihn vom Kopf bis zu den Zehen. Als er auf den Füßen war, ließ die Hand ihn los und seine Adern wurden wieder weit; einen Augenblick lang glaubte er, von unzähligen feinen Nadeln gestochen zu werden.
    »Nun bist du wach«, sagte die Unda und Felt meinte ein unterdrücktes Lachen in ihrer Stimme zu hören.
    »Was ist passiert?«
    Er sah sich um: Alle schliefen.
    »Du musst mit uns kommen«, sagte sie, ohne auf seine Frage einzugehen. »Der Mond ist rund.«
    Das war er wirklich, voll und rund und hell. Felt blickte zu einem der wachhabenden Soldaten, aber der zuckte nur die Achseln und wies mit einer Kopfbewegung auf vier aufgezäumte Nukks.
    »Wir können nicht einfach in der Gegend herumreiten«, sagte Felt. »Es ist zu gefährlich. Wir dürfen die Route nicht verlassen.«
    Er hatte die Launen der Frauen noch nie verstanden, aberdie Undae waren die Königinnen der

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