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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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leckte. Ein strenger Geruch. Tongefäße auf Brettern an der Wand, Scherben am Boden. Und kleine, dunkle Bohnen, in denen Marken stand und die unter seinen Stiefeln knackten. Eine Vorratskammer. Ein erschrockener Aufschrei   – kleine Augen, geblendet vom Fackellicht, in einem schmutzigen, haarigen Gesicht.
    »Was zum …?«
    »Ein Schwein, es ist nur ein Schwein!«
    Das Tier lief auf die Männer zu, begann, sich laut schmatzend über die Bohnen am Boden herzumachen. Strommed gab ihm einen ärgerlichen Tritt, das Schwein schrie wieder kurz auf, wich ihm aus, senkte dann aber den Kopf und fraß grunzend weiter.
    »Wir teilen uns auf«, sagte Marken und trat wieder in den Hof, wo die pramschen Soldaten beklommen schweigend herumstanden, Smirn in ihrer Mitte. Sie wurden von ihren eigenen Schatten umzingelt, die als groteske Schemen an den Hauswänden ringsum entlanghuschten. »Ihr zwei geht da rauf, ihr zwei dort.« Er untermalte seine Worte mit knappen Handzeichen und bemerkte, wie dünn seine sonst so kräftige, in Wind und Weite gestählte Stimme klang. Marken sprach lauter: »Strommed, du kommst mit mir   – und der Rest bleibt hier bei der Hohen Frau und rührt sich nicht von der Stelle, verstanden? Und haltet ja die Augen offen, Soldaten!«
    Aber die Augen der Männer waren schwarze Löcher. An Bord des Kahns, im Licht der Öllampe hatten ihre Gesichter krank gewirkt. Nun sahen sie aus wie Gespenster. Diese entsetzlich scharfen Schatten werden uns umbringen, dachte Marken in einem kurzen Anflug von Panik, sie drücken uns schon die Augen in die Höhlen.
    Er strich sich den Bart, zögerte noch und hoffte, Smirn würde etwas sagen, hätte irgendeine Art von Erklärung. Doch sie schwieg. Wenn es nur endlich hell wäre! Dann könnte Marken die Todesahnung überwinden, die nicht zum Beginn eines neuen Tages passte und ihn doch immer wieder genau dann heimsuchte. Er stieg die Stufen hinauf.
    Die Treppe führte auf einen Absatz und wieder stand Marken vor einer Tür. Aber diese hier war nicht angelehnt, sondern geschlossen. Er hatte das Bedürfnis anzuklopfen   – das wäre etwas Normales und höflich dazu. Aber hier war etwas Ungewöhnliches im Gange; hinter dieser Tür, hinter diesen Mauern, in diesem Haus, in dieser ganzen Stadt stand eine besondere Stille. Das war keine Nachtruhe. Er drückte die Klinke herab, gefasst auf beides: den Anblick toter Menschen und einen Angriff aus dem Dunkel.
    Ein ungemachtes Bett, eine geöffnete Truhe. Wild verstreute Kleidungsstücke. Ein Wandbehang, scheinbar gewellt im flackernden Licht der Fackel. Ein kleiner, gusseiserner Ofen auf drei Füßen, darauf eine Kanne. Keine Menschen. Marken trat an den Ofen. Er war kalt, aber das musste nichts bedeuten, es war Lendern, man musste nicht heizen. Marken hob den Deckel von der Kanne.
    »Und?«, fragte Strommed.
    »Tee oder so was«, sagte Marken. »Aber alt.«
    Sie durchsuchten alle Räume des Gebäudes, so hoffte Marken es wenigstens, denn die Bauweise der Kwother war verwirrend. Sieben verwinkelte Stockwerke saßen übereinander, die Zimmer waren klein, viele fensterlos und miteinander verbunden; es gab nicht nur Außentreppen, sondern auch Aufgänge im Innern des Hauses. Nach dem Aufenthalt im weitläufigen Pram und im Fürstenpalast mit seinen hohen Decken, polierten Steinböden und unzähligen farbigen Glasfenstern kamen Marken die Behausungen der Kwother eng und stickig vor. Aber vielleicht mochten sie es auch, nah beieinander zu sein   – um diesen Hof herum wohnten entweder mehrere Familien oder gleich eine ganze Sippe. Strommed und er fanden viele Schlafkammern in den mittleren Stockwerken, mehrere Kochstellen, und als sie endlich auf dem flachen Dach angelangt waren, erkannte Marken, dass auch dieser Raum genutzt wurde: Leinen waren gespannt, Körbe standen herum oder waren umgestoßen, über einem Holzgestell hing ein Rest Trockenfisch. Aber kein einziger Mensch war in diesem Haus zu finden, weder ein toter noch ein lebender. Hier oben war nur der Tag, endlich, und er hatte einen leichten Wind mitgebracht, der die trockenen Fische knistern ließ. Marken warf seine Fackel in einen Eimer. Sie verlosch mit einem Seufzen und schickte als letztes Lebenszeichen einen Rauchfaden in den erblassenden Himmel.
    »Was ist hier nur los?«, fragte Strommed. »Wo sind die alle? Ein Überfall?«
    Marken bedeutete den pramschen Soldaten, die ebenfalls auf den benachbarten Flachdächern angekommen waren und die Köpfe schüttelten,

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