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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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Smirn aber half Marken nicht mit Schönheit, Geduld oder Güte   – sie forderte ihn. In ihrem Ernst, ihrem Schweigen erkannte Marken den hohen Anspruch, den sie an ihn hatte. Und nichts hätte ihn mehr anspornen können. Smirn beschränkte sich auf das Wesentliche, weil sie sich darauf verließ, dass Marken alleine zurechtkam. Und das kam er auch, er war schließlich Welse. Er glaubte fest daran, dass man mit Willenskraft und Disziplin jedes Problem in den Griff bekam. Zur Not gab es immer noch den schönen, schwarzen, scharfen Stahl. Aber konnte all das helfen, wenn die Quellen versiegten, wenn der Menschheit die Menschlichkeit abhandenkam?
    Ein enger Gurt zog sich um Markens Brust zusammen und er griff unwillkürlich nach dem kleinen Lederbeutel, der ihm um den Hals hing. Der eigenartige, plappernde Hüter Torvik hatte ihm diesen mit Quellwasser gefüllten Beutel geschenkt; Felt und Kersted hatten auch welche erhalten. Es war noch nicht lange her, dass sie bei der Quelle der Hoffnung im Wald von Bosre gewesen waren. Marken erinnerte sich gut an die schwirrenden großen Insekten mit den gläsernen Flügeln, an die Magie des Orts, seine Kraft. Die Hoffnung ist ein guter Antrieb   – das war Smirns Antwort gewesen auf das, was Marken selbst gesagt hatte: Wir geben niemals auf. Ja, nicht aufgeben. Sondern hoffen und weitermachen. Bei der Quelle hatte Marken es mit voller Überzeugung aussprechen können, heute kam es ihm vor wie eine Floskel. War das so, wenn die Quellen ihre Wirkmacht verloren? Kam einem dann jede Regung, jedes ehrliche Gefühl,jede eben noch feste Überzeugung hohl und leer und sinnlos vor?
    Einer der Posten an den Ecken des Dachs machte eine knappe Meldung und riss den Waffenmeister aus seinen trüben Gedanken. Marken spähte hinab in den Hof; unten kamen Strommed und die anderen Männer des Erkundungstrupps zurück. Der pramsche Soldat an der Dachkante, ein junger Bursche, hielt die Augen angestrengt geradeaus. Er hatte Angst, Marken konnte es förmlich riechen; ob es aber an der Höhe lag oder ob es die Leere war, das stumme Entsetzen, das durch die Gassen von Hal kroch, konnte Marken nicht entscheiden. Hier oben, mit Blick über die Stadt vom Fluss im Osten bis zu den westlichen Hügeln, die als gelbgrüne Welle vor dem wolkenlosen Blau des Himmels standen, wurde einem das Ausmaß dieser gähnenden Stille erst richtig bewusst. Für einen Pramer, der nur den Trubel kannte, der in die Fülle, die Lebendigkeit geradezu hineingeboren worden war, musste es noch unheilvoller sein als für einen Welsen, der am Rande der Welt lebte und es gewohnt war, dass außer dem frostigen Wind oft niemand durch die Gassen Goradts strich.
    »Meldung: Mensch, nein. Pferde, nein. Essen … viel.«
    Der pramsche Soldat des zurückgekehrten Trupps bemühte sich, Welsisch zu sprechen, und für das, was Marken mit den Pramern zu besprechen hatte, war es ausreichend   – er hatte nicht vor, ihnen seine Gedanken oder Befürchtungen mitzuteilen oder seine Entscheidungen zu diskutieren. Das würde Marken nicht einmal mit Strommed tun, der einer seiner besten Männer war und den er schon von klein auf kannte. Der Hellste war Strommed zwar nicht, aber zuverlässig und selbst für einen Welsen außergewöhnlich groß und kräftig. Der Hunger schien Solder um Solder an ihm vorbeigegangen zu sein; Strommed konnte Kraft aus einem Atemzug eiskalter Luft odereinem Schluck Gansetee holen. Und er war ein Waffennarr, das hatte Marken ganz besonders für den Jüngeren eingenommen   – Strommed liebte den Stahl und beherrschte sein Schwert ebenso wie eine Axt oder einen Speer. Als er nun neben den pramschen Soldaten trat, um ebenfalls Meldung zu machen, tat dieser unwillkürlich einen Schritt beiseite. Strommed war ein Hüne verglichen mit dem Pramer.
    »Melde gehorsamst: Keine Menschenseele zu finden. Paar Tiere haben sie dagelassen, aber nichts zum Reiten. Und auch keine Waffen.«
    »Nicht eine?«, fragte Marken. »Hast du die Waffenkammer gefunden?«
    »Waffenkammern habe ich gefunden, mehr als eine.« Strommed überlegte kurz. »Sechs waren’s. Aber leer. Nur in einer war so was hier.«
    Er hielt Marken ein Axtblatt hin, der Waffenmeister nahm es und verstand: Dieses klobige Stück Eisen zählte nicht. Was Marken in Händen hatte, war eine so jämmerliche Kopie welsischer Schmiedekunst, dass man sich in Goradt sogar geweigert hätte, das Blatt einzuschmelzen und weiterzuverarbeiten. Aber warum versuchten die Kwother

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