Zyklus der Erdenkinder 05 - Ayla und der Stein des Feuers
dann kann ich ihr nichts anhaben.«
»Hast du denn seinerzeit gedacht, dass Marona zu mir passt?«, sagte Jondalar ein wenig gereizt, weil er das Gefühl bekam, dass die zwei Frauen ihm keinen Raum dafür ließen, sich eine eigene Meinung über seine Empfindungen zu bilden. »Du hattest nie etwas dagegen einzuwenden, dass ich ihr ver sprochen wurde.«
»Das war nicht wichtig. Du hast sie nicht geliebt. Sie konnte dir nicht weh tun.«
Beide Frauen schauten ihn an, und obwohl sie einander ei gentlich nicht ähnlich sahen, glich sich ihr Mienenspiel jetzt so sehr, dass sie hätten Schwestern sein können. Plötzlich lachte Jondalar auf und sagte: »Also, ich bin froh zu wissen, dass die zwei geliebten Frauen meines Lebens Freundinnen sein wer den.«
Zelandoni zog eine Augenbraue hoch und warf ihm einen strengen Blick zu. »Wie kommst du denn auf den Gedanken, dass wir uns anfreunden werden?« Doch als sie hinausging, lächelte sie still vor sich hin.
Jondalar war von widerstreitenden Gefühlen erfüllt, als er Ze landoni den Wohnplatz verlassen sah, doch er war froh, dass die mächtige Frau offenbar bereit war, Ayla zu akzeptieren. Auch seine Schwester war Ayla freundlich begegnet, ebenso wie seine Mutter. Alle Frauen, die ihm hier wirklich wichtig waren, nahmen Ayla also mit offenen Armen auf - das war zumindest ein guter Anfang, dachte er. Seine Mutter hatte so gar zu ihr gesagt, sie würde alles tun, was in ihrer Macht stehe, damit Ayla sich zu Hause fühlen würde.
Der Ledervorhang bewegte sich, und Jondalar war ein wenig überrascht, als seine Mutter, an die er gerade gedacht hatte, vor ihm stand. Marthona trug den konservierten Magen eines mit telgroßen Tiers bei sich. Der Behälter war nahezu wasserdicht, trotzdem war immerhin so viel aus ihm herausgesickert, dass er dunkelrot gefleckt war. Ein Lächeln ging über Jondalars Ge sicht.
»Mutter, du hast etwas von deinem Wein hervorgeholt!«, rief er. »Ayla, erinnerst du dich an das Getränk, dass wir bei den Sharamudoi bekamen? Den Heidelbeerwein? Du bekommst nun Gelegenheit, auch Marthonas Wein zu probieren. Sie ist bekannt dafür. Bei den meisten Leuten wird der Saft sauer, ganz gleich, welche Früchte sie dafür nehmen, aber Mutter hat ein besonderes Händchen dafür.« Er lächelte Marthona an und sagte: »Vielleicht verrät sie mir eines Tages ihr Geheimnis.«
Marthona lächelte leise zurück. Ihrer Miene konnte Ayla ent nehmen, dass sie tatsächlich über eine geheime Technik ver fügte und sich auf das Hüten von Geheimnissen verstand, und zwar nicht nur von eigenen. Wahrscheinlich kannte sie viele. Sie barg viele Schichten und verborgene Tiefen in sich, ob gleich sie in dem, was sie sagte, direkt und aufrichtig war. Ayla wusste auch, dass Jondalars Mutter sich trotz des freundlichen Willkommens erst noch ein endgültiges Urteil über sie bilden wollte, ehe sie sie voll und ganz akzeptierte.
Plötzlich kam Ayla Iza in den Sinn, die Clan-Frau, die ihr wie eine Mutter gewesen war. Auch Iza kannte viele Geheimnisse, doch wie alle anderen im Clan log sie nie. Denn in ihrer Ge bärdensprache, in der man Nuancen über Körperhaltung und Mienenspiel ausdrückte, war das Lügen nicht möglich, man hätte es sogleich bemerkt. Allerdings konnte man etwas uner wähnt lassen. Wenn klar war, dass jemand etwas für sich be hielt, ließ man das unter Umständen zu, um ihm nicht zu nahe zu treten.
Es war nicht das erste Mal, dass ihr an diesem Ort der Clan in den Sinn kam. Der Anführer der Neunten Höhle, Jondalars Bruder Joharran, hatte sie bereits an den Anführer ihres Clans, Brun, erinnert. Sie fragte sich, warum Jondalars Sippe so viele Erinnerungen in ihr wachrief.
Marthona blickte sie beide an und sagte: »Ihr müsst hungrig sein.«
Jondalar lächelte: »O ja, ich bin hungrig! Seit heute früh ha ben wir nichts mehr gegessen. Ich hatte es eilig, hierher zu kommen, und wir waren schon so nah, dass ich nicht mehr ras ten wollte.«
»Wenn ihr eure Sachen hereingebracht habt, könnt ihr euch hinsetzen und ausruhen, während ich etwas zu essen für euch bereite.« Marthona führte sie zu einem niedrigen Tisch, wies auf Polster, auf die sie sich setzen konnten, und goss in zwei Becher etwas von der tiefroten Flüssigkeit. Sie schaute sich um. »Ich sehe dein Wolfstier nicht, Ayla. Ich weiß, dass du ihn mit hereingebracht hast. Auch er wird wohl Nahrung brauchen. Was frisst er?«
»Gewöhnlich gebe ich ihm etwas von dem ab, was wir gerade essen«, antwortete Ayla,
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