sie konnte. Die Frau ging schweigend hinaus.
Weitere Bemühungen um Margarets Bekehrung fanden offenbar nicht statt.
Es war ihr völlig freigestellt, in die Stadt zu gehen, um dort zu essen oder ins Kino zu gehen. Es gab auch keinen Grund, warum dem nicht so sein sollte, aber sie war dennoch einigermaßen überrascht. Ein drängenderes Problem war indessen, daß sie bereits alles, was es in Sovastad zu sehen gab, eingehend betrachtet hatte; außerdem verspürte sie den sehr intensiven Wunsch, im Augenblick dort auf niemand zu treffen, den sie kannte. Sie verbrachte daher einen Großteil des Tages mit Lesen und wusch emsig Kleidungsstücke, aß in dem Hotel oder Heim (oder was immer es sein mochte) zu Mittag (das Essen war einfach, aber gut) und beschränkte sich darauf, sich zum Abendessen in ein Café zu stehlen, in dem sie noch nicht gewesen war. Den Traktat über die Läuterung las sie nicht.
Sie fand das Café enttäuschend. Sie wurde in eine Ecke verbannt und mit einer Unhöflichkeit und Gleichgültigkeit bedient, die ihr bisher in Schweden noch nicht begegnet war – und auch anderswo nicht. Aber Margaret war nicht viel gereist und noch weniger auf eigene Faust. Sie wußte, daß man Frauen ohne Begleitung oft nachsagte, sie seien unbeliebt bei Kellnern oder sogar bei der Restaurantleitung. ›Kein Wunder‹, dachte sie, ›daß Frauen letztendlich immer dazu neigen, sich in ihr kleines Nest zurückzuziehen‹.
Sie vermutete, alles in allem würde der kurze Zeitraum ihrer Trennung von Henry auf die eine oder andere Weise die intensivste und lehrreichste ihres gesamten Lebens gewesen sein. Sie versuchte, den Gedanken beiseite zu schieben. Es konnte stets ein Fehler sein, mehr zu wissen als der eigene Mann.
Sie hatte die Schweden nie zuvor von dieser sturen und ungefälligen Seite erlebt, aber auch das gehörte zweifellos zu den Dingen, die sie lernen mußte.
In dieser Nacht schlief Margaret schlecht und unstet. Auf der Straße herrschte starker Verkehr. Margaret fragte sich, um wieviel schlimmer es sein würde, wenn Henrys Straße fertiggestellt sein würde, sie dachte mit Wärme an Colonel Adamski und versuchte sich abzulenken, obwohl ihr das wachliegend schwerfiel. Sie redete sich ein, daß sie an jenem Tag schließlich wenig Energie verbraucht, wenig genug getan hätte, als herumzuliegen und zu grübeln. Zu einer dunklen, unbekannten Stunde pochte es an die Tür. Und Margaret wurde davon wach.
Der weibliche Leutnant trat ein. Vielleicht auch jemand, dachte Margaret unwillkürlich, der nicht schlafen kann? Aber das war sehr unwahrscheinlich, trotz des Gewichts, das Adamski den Unterschieden zwischen den Menschen beigemessen hatte.
Die Frau trug eine Kerze. Sie trat vor das Bett und fragte ohne Präliminarien mit ihrem starken Akzent: »Wollen Sie, daß ich mit Ihnen bete? Leider bete ich nur auf Schwedisch.«
In der Absicht, sich irgendwie respektvoll zu zeigen, setzte Margaret sich auf. Dann wurde ihr bewußt, daß das schwarze Nachthemd, das Henry so gefiel, hier fehl am Platz sein könnte.
»Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen«, entgegnete sie unsicher.
»Verzweifeln Sie nicht«, sagte die Frau. »Vergebung gibt es für alle. Für alle, die sie in Demut suchen.«
»Aber wenn ich Sie doch nicht verstehe ...« sagte Margaret, indem sie versuchte, ihre unpassende Bekleidung mit den Armen zu bedecken. Es war weder eine besonders schlagfertige noch eine besonders freundliche Antwort, aber Margaret fiel nach ihrem neuerlichen Erwachen aus spärlichem Schlaf nichts anderes ein.
Die Frau blickte sie über die Kerze in dem billigen Kerzenhalter aus Blech hinweg an.
»Wir zwingen niemandem die Erlösung auf«, sagte sie nach einer langen Pause. »Wer sie zu erlangen vermag, findet sie allein.«
Margaret fand, daß die Frau, da sie sich nun einmal entschlossen hatte, bei ihr zu erscheinen, ein wenig freundlicher hätte sein können. Aber vom Hörensagen glaubte sie zu wissen, daß ein Teil von dem, was die Frau gesagt hatte, zur Philosophie der Heilsarmee gehörte. Sie wandte sich nun ab und ging, wobei sie die Kerzenflamme mit der linken Hand beschirmte und die Tür leise schloß. Margaret gewärtigte, daß sie es seltsamerweise doch begrüßt hätte, wenn mehr geschehen wäre, aber sie mußte zugeben, daß sie wenig ermutigend gewirkt hatte. Sie fiel wieder in einen unruhigen, zerrissenen Schlaf. Die Nacht kam ihr sehr lang und überdies entsetzlich geräuschvoll vor, und sie dachte sorgenvoll an
Weitere Kostenlose Bücher