0002 - Das Dorf der versteinerten Monster
Telekinese, der Hellseherei und dergleichen mehr. Die Briefschreiber bitten um Rat, um Hilfe, um Unterstützung. Doch kein Brief war so packend und menschlich ergreifend. Deshalb war Professor Zamorra in dieses kleine englische Dorf gekommen. Deshalb hatte er Château de Montagne, seinen ständigen Wohnsitz im romantisch-gespenstischen Loire-Tal, verlassen.
Angst und Verzweiflung standen in Westbrooks Brief. Nicht mit Worten ausgedrückt, aber doch unübersehbar, wenn man die Zeilen aufmerksam las. Dieser Mann flehte um Hilfe. Nicht für sich allein, sondern um Hilfe für dieses Dorf, das sonst verloren war. Professor Zamorra war gekommen, um zu helfen, falls er das vermochte.
In diesem stillen, kleinen Dorf sollten geheimnisvolle Dinge geschehen, für die Westbrook einen grausamen Dämon verantwortlich machte. Zamorra wollte diesen seltsamen Vorgängen auf den Grund gehen. Einmal noch holte der Professor tief Luft. Dann wollte er in das Restaurant zu seiner Sekretärin und zu seinem Freund zurückkehren. Da hörte er das rasch lauter werdende Brummen eines schweren Motors. Er blickte in die Richtung, aus der das Geräusch kam, und erstarrte in derselben Sekunde zur Salzsäule. Ein mächtiger Lkw raste auf ihn zu. Seine Kopfhaut zog sich schmerzend zusammen. Er starrte benommen auf das schnell größer werdende Fahrzeug, das wie ein brüllendes Tier auf ihn zupreschte. Zamorra wurde kalkweiß. War das ein Mordanschlag? Oder war der Fahrer plötzlich verrückt geworden? Der Fahrer! Die spiegelnde Windschutzscheibe gab den Blick noch nicht auf das Gesicht des Fahrers frei. Noch nicht. Erst als der schwere brüllende Laster auf wenige Meter herangedonnert war, konnte Zamorra das Gesicht des Mannes plötzlich gestochen scharf sehen.
Zamorras Grauen kannte keine Grenzen. Das war unmöglich! Das gab es nicht, konnte es einfach nicht geben! Der Fahrer, der mit satanischem Grinsen den mächtigen Wagen auf Zamorra zusteuerte, um ihn zu zermalmen, war fünfunddreißig Jahre alt, ein Playboytyp, mit dem Gesicht eines großen Jungen.
Der Fahrer des herandröhnenden Lastwagens war Charles Vareck. Charles Vareck! Zamorras Vetter! Und genau das war es, was es nicht geben durfte, was nicht sein konnte, denn Charles Vareck war tot! Zamorra sah ihn vor seinem geistigen Auge: Charles Vareck lag ausgestreckt auf dem Rücken, reglos, starr, mit ausgebreiteten Armen und aufgerissenen Augen, dem Regen preisgegeben. Dr. Ramondo hatte ihm in der Nähe des Château de Montagne die Kehle durchgeschnitten. Charles Vareck, sein Vetter, lebte nicht mehr. Er war tot. Tot!
***
Jerry Westbrook saß auf der weißen Bank im Park der Nervenklinik. Gayle Maud, seine Freundin, saß neben ihm. Sie hielt liebevoll seine Hand und schaute ihn mit einem sanften Lächeln an. Sie sieht hinreißend aus in ihrem nilgrünen Kleid, dachte Westbrook. Ihr üppiger Busen steckte etwas gebändigt im straff sitzenden Oberteil, ihre Augen funkelten ungebändigt über dem vollen leuchtendroten Mund. »Morgen darf ich nach Hause gehen, Gayle«, sagte Westbrook.
»Fühlst du dich wieder wohl, Jerry?«
»Ja. Den Schock habe ich zum Glück überwunden.«
Gayle zögerte kurz. Dann fragte sie: »Denkst du noch daran?«
Er nickte mit zusammengepreßten Lippen. »Natürlich. Aber ich habe jetzt nicht mehr diese wahnsinnige Angst.« Er lächelte verlegen. »Ich kann darüber nachdenken, ohne mich gleich schreiend unter dem Bett zu verkriechen. Zwar ist immer noch eine gewisse Furcht da, aber sie hält sich in Grenzen. Diese Furcht kann mir kein Arzt nehmen.«
Gayle strich sanft über sein Haar. Ihre Stimme zitterte, als Sie sagte: »Du tust mir so leid, Jerry.«
Er legte seinen Arm lächelnd um ihre Schultern und zog sie sanft an sich. »Nicht doch, Gayle. Ich bin jetzt wieder vollkommen klar. Mein Transportunternehmen ist auch ohne mich klaglos weitergelaufen. Ich habe einige gute Männer an der Hand, die den Laden in Schuß gehalten haben. Wenn ich erst mal zu Hause bin, werde ich schon sehr bald wieder ganz der alte sein, du wirst sehen.« Er gab sich bewußt betont optimistisch, damit Gayle aufhörte, sich um ihn Sorgen zu machen. Um das Thema zu wechseln, fragte er: »Was macht deine Doktorarbeit? Kommst du voran?«
Gayle zuckte die Achseln und scharrte mit den Schuhen auf dem geharkten Kies herum. »So recht und schlecht«, sagte sie ohne Begeisterung. »Ich muß immerzu an dich denken.«
»Ist wirklich nicht nötig«, sagte Jerry lachend.
Sein Gesicht war in
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