0007 - Das Horror-Schloß im Spessart
sein rechter Arm ausgekugelt. Wimmernd blieb er vor der Treppe liegen.
Dort lag er genau richtig.
Plötzlich senkte sich der Boden unter seinen Füßen. Ehe Paul überhaupt begriff, fuhr er schon hinab in die Tiefe.
In das stockdunkle, finstere Nichts…
Er stemmte sich auf die Knie, riß den Kopf in den Nacken, sah den Rand der Luke.
Dort hockten die Gespielinnen des Teufels. Der Fackelschein leuchtete ihre zu triumphierenden Grimassen verzogenen Gesichter an. Die Hexen lachten, schüttelten die Fäuste und drohten in einem.
Mit einer flehenden Geste streckte Paul beide Arme aus. »Bitte!« schrie er. »Bitte, laßt mich hier heraus!«
Tränen rannen über sein Gesicht. Pauls Flehen erstickte in einem Schluchzen.
Tiefer und tiefer glitt die Plattform. Paul konnte die Fratzen mit seinen tränenverschleierten Augen kaum noch erkennen. Er bekam auch nicht mit, wie sich die Plattform drehte und er auf den Boden rollte.
Auf kalten feuchten Steinboden. Noch immer war der Mann ohne Bewußtsein.
Rasend schnell fuhr dann die Plattform wieder hoch. Sie wurde von einem zylindrischen, hydraulisch betriebenen Stempel bewegt. Schon nach wenigen Sekunden rastete die Plattform ein.
Die Gesichter verschwanden. Absolute Finsternis nahm Paul gefangen.
Minutenlang blieb er auf dem rauhen feuchten Boden liegen. Er atmete keuchend und erwachte. Seltsamerweise arbeitete sein Gehirn noch klar. Paul fragte sich, ob sie ihn hier unten verdursten oder verhungern lassen wollten.
Er wußte nicht, wo er war. Vielleicht in einem kleinen Keller, einem Gewölbe oder einem Verlies.
Die Dunkelheit ließ keinen Schluß zu.
Und er, Paul, befand sich allein in einer grauenhaften Lage, aus der er sich aus eigener Kraft nicht befreien konnte.
War er wirklich allein?
Paul horchte plötzlich auf.
Er hatte Geräusche gehört. Schreckliche Geräusche.
Keuchen, Schmatzen und Schlürfen…
Paul überkam die Todesangst. Er schrie unaufhörlich, bis das Böse gnadenlos zuschlug…
***
Der Hotelier hob die mageren Schultern. »Tut mir leid, Herr Kommissar«, sagte er, »da kann ich Ihnen auch nicht helfen. Dieser Mann hat bei uns nicht gewohnt.«
»Sie sind sich vollkommen sicher?« Der Hotelier nickte eifrig. »Vollkommen.«
Mallmann steckte das Foto wieder ein. Er verabschiedete sich von dem Hotelier und ging zum Ausgang. Die Glastür schwang automatisch zurück.
Die blasse Oktobersonne stand am Himmel und schickte ihre Morgenstrahlen über den Spessart. In den Tälern wogte der Nebel wie ein grauweißer Fluß. Wenn die Sonnenstrahlen die Wand durchbrachen, lösten sich die Schleier auf und zerfaserten in der klaren Luft. Das Laub der Bäume schimmerte gelb, braun und rostfarben. Die meisten Blätter hatten sich schon von den Ästen und Zweigen gelöst. Sie bildeten auf dem Boden eine dicke weiche Schicht.
Kommissar Mallmann ging gedankenverloren zu seinem roten Opel Ascona. Er war müde. Eine Folge des Wechseldienstes. Aber dem Tipp, in einem kleinen Waldhotel würde sich ein gesuchter Verbrecher aufhalten, der auch mit der Terrorszene in Verbindung gebracht werden mußte, mußte er nachgehen. Mallmann fuhr allein. Der Informant hatte nur sehr vage Hinweise übermittelt, die ein großes Polizeiaufgebot nicht rechtfertigten.
Er war umsonst gefahren, wie sich herausstellte.
Mallmann schloß seinen Wagen auf und klemmte sich hinter das Lenkrad. Der Kommissar arbeitete im Auftrage von Interpol, konnte aber auch vom Bundeskriminalamt angefordert werden. Mallmann war praktisch ein AllroundMann, der unkonventionell arbeitete und damit schon große Erfolge erzielt hatte.
Dabei war er vom Äußeren her gar nicht der Typ des strahlenden Siegers. Er war mittelgroß, das schwarze Haar hatte sich an der Stirn zurückgezogen und Geheimratsecken gebildet. Die dunklen Augen lagen ziemlich tief in den Höhlen, und die kräftige, leicht gebogene Nase erinnerte an einen alten Römer.
Mallmann war Junggeselle. Sein großes Hobby war seine Stereo-Anlage, für die er ein halbes Familienhaus hätte kaufen können. Mallmann träumte von einem Porsche, aber diesen Traum würde er wohl nie verwirklichen können, denn so außergewöhnlich war sein Gehalt nun auch wieder nicht.
Mallmann war bis vor zwei Jahren ein nüchtern denkender Polizeibeamter gewesen wie seine Kollegen noch heute. Bis er einen Fall zu bearbeiten hatte, der ihn an seinem Verstand zweifeln ließ. Er war auf einen Voodoo-Mörder gestoßen, und wäre nicht John Sinclair gewesen, dieser
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