0012 - Der Dämonenknecht
Er war berauscht vom Schnaps und von seiner Freude, eine Tochter unter der Haube zu haben. Es war bei Gott nicht leicht, auf drei erwachsene Töchter aufzupassen. Aber eine war ja nun versorgt und mit dem Doktor und Isabell rechnete er sich schon etwas aus.
Felipe wollte in dieser Stimmung noch nicht alleine sein. »Machen wir uns noch etwas Musik.« Er schwankte zu dem alten Radio in der Ecke. Aus dem Lautsprecher schrillte Koloratur.
»Hören Sie sich die alte Ziege an, Doktor! Da wird einem ja die Milch in der Brust sauer.« Er stellte das Radio wieder ab.
Hinter den Fenstern dämmerte schon schwach der Morgen auf.
»Ich muß aber jetzt wirklich gehen, Señor Ortez«, murmelte der Arzt. »Ich habe heute noch viel Arbeit vor mir.« Der Wirt stand schon mit einem vollen Glas vor ihm.
»Noch einen Schluck auf den Weg, Doktor. Wenn Sie mir den abschlagen, sperre ich Isabell in ein Kloster.«
»Ich werde mich hüten«, lächelte der junge Arzt etwas gezwungen.
»Salute.« Der Wirt setzte einfachheitshalber gleich die Flasche an die Lippen und nahm einen kräftigen Schluck.
»Ah! Das tut einem alten…« Felipe unterbrach sich mitten im Satz. Klirrend zerschellte die Flasche auf dem Boden. Der Wirt schluckte. Seinem verschwommenen Blick bot sich eine Überraschung.
Ein menschliches Bündel stand im Türrahmen, machte einen Schritt, schwankte und fiel lang in den Raum.
»Du lieber Gott«, platzte Dr. Amondo heraus. »Der Mann sieht ja fürchterlich aus.«
»Kommen Sie, Señor Ortez, fassen Sie an.« Der Mediziner wurde blitzschnell aktiv.
Sie schleppten den Geschundenen in einen Nebenraum und legten ihn vorsichtig auf ein leerstehendes Bett. Der Arzt zog ihm die blutbefleckten Fetzen vom Leib und flößte dem Mann etwas Schnaps ein. Der stöhnte, öffnete schwach die Augen. Kein Wort kam über seine Lippen. Der Blick war voller Angst.
Als die Männer den nackten Körper sahen, überlief es sie eiskalt.
Die ganze Haut war schwarz, grün und gelb und wies mehrere Platzwunden auf. Grüngelbe Ränder säumten die Augen, die Nase war blutverkrustet, und Blut klebte auch im Haar.
Felipe, der Wirt, stutzte und forschte in den entstellten Gesichtszügen. Er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß er den Mann kannte.
Mit einemmal war er stocknüchtern. »Das ist doch – ich glaube… Aber das ist doch …?«
»Was glauben Sie, Señor Ortez?« Dr. Amondo wurde aufmerksam.
»Es könnte mein Bruder sein, mein Bruder Manuel!« flüsterte Felipe mit vor Erregung fiebernder Stimme.
***
Nicole Duval, Zamorra und die Sängerin hatten sich in einen kleinen Nebenraum der Bar zurückgezogen. Eine auf dem Tisch stehende Kerze war die einzige Beleuchtung des Zimmers. Die Vorhänge waren zur Seite gezogen und die Fenster halb geöffnet, doch der Abend war schwül, und die hereinschwebende Luft brachte wenig Erfrischung. Von draußen drang das Geräusch leise plätschernden Regens herein. Die Dunkelheit wurde nur von ein paar erleuchteten Fenstern eines Restaurants gegenüber der Bar durchbrochen.
»Ich kam vor einer Woche nach Frankreich«, berichtete Ines de Almagro mit ihrer dunklen, ruhigen Stimme. »Ich wollte Sie treffen. Auf Château de Montagne sagte man mir, daß Sie in New York, zu Besuch bei ihrem Freund Bill Fleming wären, aber bald wieder zurückkämen. Da habe ich diese Stelle hier vorübergehend angenommen. Der Besitzer ist übrigens ein Verwandter von mir. Ich habe diese Aussprache mit brennender Ungeduld herbeigesehnt. Bitte, Professor Zamorra, Sie müssen uns helfen.« Die letzten Worte stieß die Sängerin erregt hervor. Ihre Gesichtszüge waren von verzweifeltem Ernst erfüllt.
Zamorra hob fragend die Augenbrauen. »Nun, wenn ich Ihnen helfen soll, müssen Sie mir schon erklären, worum es geht.«
»Es handelt sich um meinen unglücklichen Heimatort und um mein Elternhaus, das Schloß Santillana del Már, das von bösen Dä- monen beherrscht wird. Professor Zamorra, Sie gehören zu den wenigen Menschen, die über diese Dinge genau Bescheid wissen…«
Die Sängerin redete wohl eine Viertelstunde. Sie sprach schnell, wie gehetzt und mit einem flehenden Ausdruck in den Augen.
Das dumpfe Prasseln des Regens und die bedrückende Schwüle des Abends boten den passenden Hintergrund für Ines de Almagros Geschichte.
»Schreiben Sie vielleicht Gruselromane?« konnte es sich Nicole Duval nicht verkneifen, als die Sängerin geendet hatte. In der kleinen Frage klang offensichtlicher Spott, ja, es
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