0026 - Maringo, der Höllenreiter
Anblick verschlug ihr die Sprache, stoppte die Tränen.
Das Gesicht des Höllenreiters zeigte strenge, asketische Züge. Scharf sprang die Nase hervor, der Mund bildete einen Strich.
Doch zweierlei Dinge paßten nicht zu dem Gesamtbild des stolzen Reiters. Die leblosen Augen, in denen das Weiße schimmerte, und das blutrote V auf seiner Stirn. Es war das magische Symbol, das ihm einst der Priester in die Haut geritzt hatte und das jetzt wie ein Fanal leuchtete. Unruhig warf der Rappe seinen Kopf hin und her. Auch er war ein Geschöpf der Hölle und dazu ausersehen, nur diesen einen Reiter zu tragen.
Schon hatte Maringo die untere Begrenzung der Tribüne erreicht. Jill und ihr Vater ahnten, was der Höllenreiter vorhatte. Er würde auf die Tribüne reiten, um das zu vollenden, was er sich vorgenommen hatte. Und niemand hielt ihn auf. Wirklich niemand?
Da war ein Mann, der in diesem Land wie ein Fremdkörper wirkte. Er hatte dem Höllenreiter den Kampf angesagt. Suko. Suko war gerannt, so schnell er konnte. Und doch mußte er einsehen, daß er zu spät gekommen war. Eine unheimliche Stille hatte sich über den Rodeoplatz gelegt. Die Menschen waren geflüchtet, hatten, wenn es nicht anders ging, alles im Stich gelassen. Nur drei Menschen waren zurückgeblieben. Suko sah die leblose Gestalt auf der Tribüne sitzen. Er wußte nicht, daß es der Bürgermeister war.
Suko wußte aber, daß er nicht mehr rechtzeitig eingreifen konnte. Soeben setzte das schwarze Pferd seine Vorderhufe auf die provisorische Tribüne. Suko blieb stehen.
In seinem Kopf wirbelten die Gedanken. Wollte der Reiter die Frau und den Mann töten? Es sah nicht danach aus, denn dann hätte er sich wahrscheinlich in einem anderen Tempo genähert. Vielleicht hatte er mit ihnen etwas vor? Der Chinese erkannte jetzt auch die Menschen auf der Tribüne. Der Mann war Big Josh Cannighan, das blonde Mädchen seine Tochter. Beide hielten sich angstvoll umklammert. Von der sonst zur Schau getragenen Arroganz war nichts mehr zu merken.
Suko zögerte. Noch hatte ihn der Reiter nicht entdeckt, und so nahm er hinter einem umgestürzten Wohnwagen Deckung. Von dieser Stelle aus konnte er die Tribüne im Auge behalten und notfalls eingreifen.
Der Höllenreiter ritt den Mittelgang hoch, dann schwenkte er nach links und ließ seinen Rappen über die Bestuhlung steigen, bis er direkt vor den Cannighans stehenblieb. Nach wie vor hielt er in seiner rechten Faust die glühende Lanze, doch die Spitze wies nach oben und nicht auf die Menschen.
Suko nahm an, daß Maringo mit Vater und Tochter reden wollte.
Plötzlich hörte er hinter sich ein Geräusch. Blitzschnell wirbelte Suko herum.
Tanzender Bär stand vor ihm. Ernst blickte der alte Medizinmann den Chinesen an. »Was willst du?« zischte Suko.
»Dir helfen«, flüsterte der Indianer. Dann entwickelte er seinen faszinierenden Plan…
***
Maringo lächelte grausam, als er vor den beiden entsetzten Menschen hielt.
Jill und ihr Vater wichen dem Blick des Höllenreiters aus, sie konnten einfach nicht in die toten, starren Augen sehen. Zuviel hatten sie durchgemacht.
Big Josh fing sich als erster. »Wirst du uns töten?« fragte er mit rauher Stimme.
Maringo schüttelte den Kopf. »Noch nicht«, erwiderte er dumpf. »Mit euch habe ich etwas Besonderes vor.«
Er krallte seine linke Hand in die Mähne des Pferdes und beugte sich etwas vor. Ehe er jedoch zu einer Erklärung ansetzen konnte, wurde er abgelenkt.
Der Bürgermeister erwachte aus seiner Ohnmacht. Fast ruckartig setzte er sich auf, schaute umher, und ein Söhnen drang aus seinem halboffenen Mund. Dann sah er den Höllenreiter.
Die Augen schienen ihm aus den Höhlen zu quellen. »Nein«, gurgelte er, »nein, das darf nicht wahr sein…«
Maringo senkte den Arm. Die leuchtende Lanze wies auf den wie erstarrt dasitzenden Mann. Noch Sekunden, dann…
Doch Maringo überlegte es sich anders. »Weg!« zischte er. »Lauf weg, sonst wird dich meine Magie treffen und zu Staub zerbröseln lassen.«
Der Bürgermeister verstand. Er stand auf, starrte den Reiter noch einmal an, machte dann auf dem Absatz kehrt und rannte, so schnell ihn seine Füße tragen konnten. Er nahm den hinteren Ausgang der Tribüne und stolperte dort die steile Holzstiege hinunter.
Wie die übrigen Einwohner würde auch der Bürgermeister so schnell rennen, wie ihn seine Beine trugen. Nun hatte Maringo freie Bahn.
»Euch, nur euch wollte ich mit meiner Rache treffen!« schrie er Vater und
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