0028 - Wir - in den Katakomben von Paris
Vorkommen, noch eine Tausender-Note in die Hand. Er packte daraufhin seine Zeichenutensilien zusammen.
»Go ahead«, sagte er.
Er führte uns aus dem Gewühl hinaus, durchquerte ein paar schmale Straßen, führte uns dann eine lange Treppe hinunter und stoppte vor einem kleinen Café, das völlig leer war. Allen deutete auf einen der kleinen Tische, die auf der Straße standen. Wir setzten uns.
Der dicke Patron kam in Hemdsärmel und Schürze aus dem Innern.
»Nehmen Sie einen Calvados?« fragte Allan. »Ein typisches Getränk für die Gegend.« Wir waren einverstanden, und Thompson bestellte.
Bis das Getränk vor uns stand, unterhielten wir uns in lautem Englisch über Paris und über das, was wir zu sehen hofften, und Allan gab uns einige Tips. Dann tranken wir von dem goldgelben Schnaps.
»Wie geht's, Allan?« fragte ich.
»Gut«, sagte er leise. »Habe mich so gut eingewöhnt, daß ich verflixt ungern hier fortgehe.«
»Wollen Sie bei unserem Verein kündigen und wirklich Künstler auf dem Montmartre werden?«
Thompson lachte.
»Warum müssen Sie überhaupt fort?« fragte ich.
»Interpol ist der Meinung, ich wäre nicht mehr sauber. Sie verstehen. Man fürchtet, die Gegenseite hätte meine Tätigkeit erkannt oder stünde kurz davor. Ich bin anderer Ansicht, aber gegen den Ratschluß der Götter im Justizpalast gibt es keine Auflehnung. Dabei glaube ich, daß ich sehr nahe vor dem vielleicht entscheidenden Erfolg stehe. Und ich hoffe, ich kann Ihnen noch vor meiner Abreise den richtigen Hinweis geben.«
Ich trank meinen Calvados aus.
»Erzählen Sie, Allen!« Er nahm eine Zigarette. »Ich bin jetzt fast fünf Monate hier. Ich kam als armer amerikanischer Kunststudent herüber, nur mit ein paar Dollar in der Tasche. Ich nistete mich hier oben auf dem Montmartre ein, weil Interpol der Ansicht war, daß sich von hieraus Fäden finden lassen müßten. Ich lebte wie die anderen Burschen hier oben, die ihr Heil mit dem Pinsel zu finden hoffen. Glauben Sie nicht, daß wir immer so ein gutes Porträtgeschäft mit den Touristen erzielen wie heute. Geld haben wir hier oben alle nicht, und ich war vorsichtig genug, von vornherein auf jegliche Verwendung meines Staatsgehaltes zu verzichten. Nun ja, es dauerte einige Zeit, bis ich einen Faden fand, und ich entdeckte ihn nicht hier oben, sondern auf der anderen Seite der Seine. Kennen Sie den fünften Bezirk?«
Wir schüttelten die Köpfe.
»Altes Paris«, erklärte Thompson, »enger und unübersichtlicher als hier. War wahrscheinlich noch nie eine Gegend, in der wohlhabende Rentner sich ansiedelten. Heute haben sich hauptsächlich Leute dort niedergelassen, die zwar die französische Staatsbürgerschaft haben, aber durchweg aus Übersee stammen, in erster Linie Algerier. Unter ihnen gibt's mehrere Banden, in sehr verzwickter Art auf religiöser Basis organisiert, aber durchaus auch für weltliche Zwecke zu haben. Sie beherrschen den fünften Bezirk oder doch Teile davon. In manchen Straßenzügen läßt sich ein Fremder besser auch am Tage nicht sehen, von der Nacht ganz zu schweigen. Nun gibt es gewisse Beziehungen vom Montmartre zum sechsten Bezirk, wo die Existentialisten zu Hause sind. Die Leute aus dem sechsten Bezirk genießen aber an dem anstoßenden gefährlichen Gebiet des fünften eine Art Narrenfreiheit. Zu holen ist bei ihnen nichts. Es lohnt sich also nicht, sie zu überfallen, selbst wenn sie sich nachts dort aufhalten. Andererseits gibt es unter den Malern hin und wieder jemanden, der bereit ist, eine Arbeit zu übernehmen, auch wenn sie nicht ganz mit dem Gesetz in Einklang zu bringen ist. Die Bandenführer aber brauchen ihrerseits öfters jemand, der unbedingt eine weiße Haut haben muß, um Erkundigungen einzuziehen oder sonst eine Arbeit für sie zu übernehmen, die sie selbst nicht tun können. Kurz, es gibt also eine Menge Beziehungen zwischen den Leute des sechsten und den Banden des fünften Bezirks. Ich habe über Dutzende von Wegen einen der Fäden in die Hand bekommen. Das sieht ungefähr so aus, daß ein englischer Schriftsteller, der sehr verrückte Gedichte verfaßt, einen italienischen Maler kennt, der seinerseits mit einem algerischen Studenten befreundet ist, dessen Bruder zur Bande von Al Ejodem gehört.«
»Schön, und wer ist Al Ejodem?«
»Ein Bandenführer, mehr weiß ich darüber nicht. Aber wenn Al Ejodem jener Mann ist, den man die ›Fratze‹ nennt, dann glaube ich, kann ich Interpol einen Hinweis geben, der uns einen
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