0029 - Ich, das Gift und Mister X
mysteriösen Gesprächspartner.
»Ja, sehen Sie, wenn Sie mich so fragen: Ich nehme an, dass er laufend irgendein Gift nimmt. Zuerst habe ich an ein mehr oder weniger harmloses Aufputschmittel gedacht, aber jetzt glaube ich nicht mehr daran. Nein, nein, Agent Cotton, ich glaube, er nimmt Morphium oder Opium oder sonst eingefährliches Zeug, ohne das man nachher dann nicht mehr leben kann.«
»Opium?«, wiederholte ich langsam. Ich warf Phil einen raschen Blick zu, und er verzog skeptisch die Lippen.
»Ja, Opium, oder so etwas Ähnliches! Sie müssen ihm helfen, Agent Cotton. Bitte kümmern Sie sich um… meinen Freund. Gehen Sie heute in die Vorstellung! Ich habe schon öfters von Ihnen gehört oder in den Zeitungen gelesen, und ich wusste mir einfach keinen anderen Rat, als Sie anzurufen. Man muss doch da etwas tun, Agent Cotton! Es muss doch eine Möglichkeit geben, ihm zu helfen, nicht wahr?«
»Sie sehen wahrscheinlich zu schwarz, mein Lieber«, sagte ich betont nüchtern, um den Mann herauszufordern, mehr zu verraten. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass…«
Es gab wieder einen Knacks… der Mann hatte aufgelegt.
»Ein komischer Kauz«, murmelte Phil. »Ich möchte wissen, was dahintersteckt, Jerry! - Eine Falle vielleicht?«
»Dazu war der Mann zu aufgeregt«, antwortete ich. »Das war keine Verstellung, Phil. Dass er mit Birmingham befreundet ist, stimmt natürlich nicht. Ich würde sagen, dass wir es mit einem Diener zu tun hatten. Er hat sich ein paar Mal ziemlich eindeutig versprochen und ich bin sicher, dass es ihm höllisch schwer gefallen ist, Elvis Birmingham als ›Burschen‹ zu bezeichnen.«
»Ein alter Diener, der sich um seinen Herrn Sorgen macht… das könnte hinkommen! -Vielleicht sollten wir den Schauspieler einmal unter die Lupe nehmen, Jerry?«
»Wir waren eigentlich lange nicht mehr im Theater«, erwiderte ich trocken. »Gut, sehen wir uns Birmingham einmal näher an! Schau doch mal nach, was heute auf dem Spielplan steht.«
Phil angelte sich die Zeitung vom Schreibtisch und begann zu blättern.
»Mit Gewalt zum Guten!« las er nach einer Weile vor.
»Holla, das hört sich ja toll an, was?«
»Momentchen mal! Da ist doch irgendwo eine Besprechung des Stückes!« Er blätterte weiter.
»Seite 18… ja, hier ist es schon: In der Hauptrolle sehen wir Elvis Birmingham als den fanatischen Weltverbesserer. Der beliebte und bekannte, zweifellos sehr begnadete Künstler spielt die Figur des Lon Roberts mit vollendeter Leidenschaft. Man muss dieses Drama gesehen haben, um ganz zu erfassen, welche enorme Darstellungskraft in Birmingham steckt. Geradezu unheimlich mutet es an, wie Lon Roberts seinen Plan entwickelt, den brutalen Diktator eines utopischen Staates mit Gewalt zu beseitigen, um ein Terror-Regime zu liquidieren und so die Welt zu verbessern. Jedes Mittel scheint ihm recht zu sein, um zum Ziel zu kommen!«
»Eine halbe Kriminalgeschichte«, knurrte ich.
»Überzeugend bringt Birmingham den Fatalismus des Roberts zum Ausdruck, überzeugend spielt er dann auch die Rolle des Gescheiterten, der als letztes Opfer des Diktators unter dem Fallbeil endet, denn das Volk, von der selbstlosen Haltung des Attentäters erschüttert, wirft seine Ketten ab, noch während auf dem Hof des Staatsgefängnisses das Fallbeil in die Tiefe saust. Großartig sind auch diesmal wieder Peggy Parker als das Mädchen Sue, Hai Freshman als Diktator, Reg Wallace als Geheimpolizist, Naftan Seebaum als Minister und Pedro Toletta als Uhrmacher! - Scheint gar nicht so übel zu sein, das Stück!«
»Sehen wir uns die Sache mal an«, meinte ich. »Hoffentlich erleben wir dabei nicht ein echtes Drama! - Rechnen müssen wir jedenfalls damit, Phil.«
»Wir werden uns eben entsprechend ausstaffieren müssen«, sagte mein Freund. Er zog die Brauen hoch und zählte an den Fingern die folgenden Requisiten ab: »Großer Abendanzug, am besten Smoking! Programm, Opernglas, Handschellen und Smith & Wesson.«
»Mach’ dir einen Knoten ins Taschentuch, dass du daran denkst!«
»Dass ich woran denke, Jerry?«
»An den Smoking natürlich«, antwortete ich. Denn dass er die Dienstwaffe nicht vergessen würde, das war selbstverständlich.
***
Eine halbe Stunde später fuhr ich zu meiner Wohnung. Nach den beiden kurz hintereinander erfolgten Anschlägen war ich natürlich darauf gefasst, auch in meinen eigenen vier Wänden von irgendwem ziemlich hitzig empfangen zu werden. Den Jaguar ließ ich deshalb schon auf dem
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