0029 - Ich, das Gift und Mister X
Ich ging zur Tür und öffnete.
»Was ist denn bloß wieder passiert, Jerry?«, brummte Dick Coster, nachdem er versucht hatte, mir mit viel Kollegialität und Freundschaft die Schulter zu zerschmettern. »An der Ecke steht ein Wagen mit zwei Burschen von eurer Garde, und hier bei dir sieht’s aus wie am Polterabend? Was sind denn das für Trümmer hier?«
»Das ist«, sagte ich wahrheitsgemäß, »früher mal ein Spiegel gewesen.«
»Sieben Jahre Glück«, murmelte Coster und schüttelte den Kopf. »Komisches Benehmen haben eure Leute neuerdings. Der eine von den beiden riet mir ab, hier hereinzuplatzen, aber den Grund wollten mir beide nicht sagen.«
»Er wollte mit Gewalt eine Aussage erzwingen, Officer«, krächzte Keen da wütend. »Ich bestehe darauf, dass Sie dieses verhindern und eine Meldung machen.«
»Meint der etwa mich, Jerry?«, wollte Coster verdattert wissen. »Wie kann dieser Kerl mit mir sprechen, wo ich doch überhaupt nicht hier bin, Jerry?«
»Ihr dreckigen Greifer!«, tobte Keen los. »Von mir erfährst du nichts mehr, Cotton, nichts, gar nichts. Eines Tages werden wir abrechnen und dann werden dir die Presseleute ein paar ehrenvolle Nachrufe schreiben können!«
»Ich werde dich in der Zelle besuchen, wenn ich noch eine Auskunft brauche!«, sagte ich zu ihm.
Dann pfiff ich die Kollegen herbei und sah mit Coster zu, wie sie ihn in die Limousine verfrachteten.
»Hast du herausbekommen, wer für die Schweinerei in meinem Viertel verantwortlich ist?«, fragte der Captain, als der Wagen aus unserem Blickfeld verschwand.
»Kennst du einen gewissen Harris, Dick?«, fragte ich zurück.
***
»Harris? - Harris? - No, kenne ich nicht, Jerry«, sagte Coster bekümmert.
»Ist das der Chef vom Ganzen?«
»Wahrscheinlich so ’ne Art Unterführer, ein Abteilungsleiter sozusagen. Aber über Harris kommen wir todsicher an den Kopf der Organisation heran. Du hast ja schon gemerkt, dass wir dich vorhin besuchen wollten, Dick.«
»Das war gar nicht schwer zu merken! Was liegt denn an, Jerry?«
»Es handelt sich um Folgendes: Phil und ich sind beauftragt worden, die Rauschgiftschmuggler aus dem Verkehr zu ziehen. Nun haben wir zwar schon ein paar Anhaltspunkte, aber noch wissen wir nicht was sie wert sind. Die erste Spur geht von einem toten Gangster aus, der beim Leuchtfeuer von Coney Island an Land gespült worden ist. Der Mann heißt Trowe und stammte aus Chicago. Fest steht, dass er selbst etwas mit dem Ring zu tun hatte. Er muss vor ungefähr fünf Monaten nach New York gekommen sein und irgendwie Kontakt zu den Schmugglern bekommen haben. Trowe ist erschlagen worden, aber als man ihn fand, hatte er noch ein paar andere Wunden. Mike Bedell redete von Abschürfungen durch Brückenpfeiler oder so. Aber im Meer gibt es keine Brückenpfeiler, Dick!«
Dick Coster wusste genau, wie wichtig sein Urteil war. Für mich ist er ein Sachverständiger, wenn es um Dinge geht, die mit dem Festland nichts zu tun haben, und alles, was Marinefragen betrifft, lasse ich mir von Coster erklären. Er ist einer von den Polizeibeamten, die gründlich nachdenken, ehe sie ein Wort sagen.
Trotzdem… damals dachte er nicht lange nach. »Am Leuchtfeuer von Coney Island?«, wiederholte er gedehnt. »Well, Jerry, dann ist er wahrscheinlich vom Hudson hergekommen. Auf jeden Fall kam er aus der New York Bay. Die Wirbelströmung am westlichen Zipfel von Coney Island hat ihn dann an Land gedrückt!«
»Er kann also nach deiner Meinung nicht vom offenen Meer gekommen sein?«
»Nein, nein, Jerry, das ist ganz unmöglich. Hätte man ihn weiter draußen ins Wasser geworfen, dann wäre er irgendwo bei Sandy Hook angeschwemmt worden.«
»Okay, Dick. Jetzt etwas anderes: Ich brauche einen genauen Bericht über Fälle, in denen euch die Schmuggler durch die Lappen gegangen sind, weil sie bessere Boote hatten!«
»Wann brauchst du den Bericht?«
»So schnell wie möglich. Außerdem brauche ich einen ähnlichen Bericht über eure Beobachtungen, die irgendwelche verdächtigen Flugzeuge angehen.«
»Alles über Schnellboote und Flugzeuge also«, sagte Coster düster. »Du wirst ein Manuskript bekommen, aus dem du einen dicken Wälzer drucken kannst, Jerry. Wir haben selbst schon alles versucht, um die Besitzer solcher Fahrzeuge ausfindig zu machen. Aber es ist sinnlos gewesen. Du kannst nun einmal nicht sämtliche Leute laufend überwachen, die ein Flugzeug oder ein Schnellboot besitzen.«
»Das sind wohl ’ne Menge Leute,
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