003 - Der Puppenmacher
trachteten.
Der Puppenmacher öffnete das Puppenhaus. »Komm heraus, Alina, mein Püppchen!« lockte er.
Aber die Alina-Puppe rührte sich nicht. Das Gesicht des Puppenmachers verzerrte sich vor Wut. »Bist du immer noch störrisch?« Er lachte wild. »Muß ich dich wieder bestrafen, damit du folgsam wirst?«
Die Alina-Puppe zuckte zusammen. Widerstrebend gehorchte sie.
»So ist es schon besser«, lobte der Puppenmacher.
Alina stand aufrecht da. Auf ihren winzigen Schultern hatte sich eine Gänsehaut gebildet, und während sie ins Halbdunkel starrte, begannen ihre Augen auf einmal zu funkeln. Ein Feuer glomm in ihnen auf, das sie wie zwei Diamanten erstrahlen ließ.
»Nimm meine Kraft, Alina! Nähre dich davon!« raunte der Puppenmacher. »Meine magische Gabe belebt dich. Mein Gedanke beherrscht dich. Ich bin dein Meister, und du mußt mir dienen. Meine Feinde sind die deinen.« Er streckte die Handfläche aus, und Alina stieg darauf. Er hielt sie ganz nahe an sein Gesicht. »Küß mich zum Zeichen deiner Demut!« sagte er und spitzte die Lippen.
Alina kam mit ihrem Gesichtchen ganz nahe heran, fletschte jedoch plötzlich die schwarzen Zähne und biß zu. Der Puppenmacher ballte die Hand zur Faust, aber Alina sprang zu Boden und verschwand unter dem Bett, bevor er sah, in welche Richtung sie flüchtete.
»Nun gut, du widerspenstige Teufelin«, sagte er knurrend. »Du sollst deinen Willen haben. Deine Zuneigung für Phillip ist stärker als meine Macht. Ich sehe ein, daß ich dich wohl nie beherrschen werde. Du willst die Freiheit? Gut, du sollst sie haben.« Er lachte höhnisch, ging zum Fenster und öffnete es. »Da hast du deine Freiheit!« rief er. »Laufe zu deinem unfähigen Geliebten und verkrieche dich bei ihm! Ich lasse dich ziehen.«
Der Puppenmacher wich vom Fenster zurück. Als er die Mitte des Raumes erreicht hatte, kam Alina unter dem Bett hervor, lief zum Fensterbrett, sprang hinauf und war gleich darauf verschwunden.
»Lauf nur zu deinem Geliebten!« rief der Puppenmacher ihr nach, »und ziehe ihn und Dorian Hunter mit ins Verderben! Heute wird die Nacht der Entscheidung sein.«
Er ging zum Spiegel und betrachtete sich darin. Kurz überlegte er, ob er seine Maske beibehalten oder wieder sein ursprüngliches Aussehen annehmen sollte, und entschied sich für ersteres. Selbst wenn er Dorian Hunter nicht als Roberto Copello entgegentrat, würde dieser erkennen, wer ihm den Todesstoß versetzte, und Alina, diese rebellische Puppe, würde ihm, ohne es zu ahnen, den Weg ebnen.
Dorian hätte am liebsten sofort gehandelt, aber ihm waren die Hände gebunden. Er mußte in der Nähe des Hermaphroditen bleiben, weil er nur dort vor den Dämonen sicher war. Außerdem mußte er Phillip vor den Puppen schützen, die ihm im Gegensatz zu den Dämonen durchaus gefährlich werden konnten. Der Dämonenkiller hatte sich ein Stuhlbein zurechtgelegt, mit dem er die kleinen Quälgeister bekämpfen wollte, und er besaß immer noch seine Pistole.
Gegen einen Dämon richtete eine Kugel zwar nichts aus, aber eine Puppe konnte sie in Stücke reißen.
Das Warten zermürbte Dorian. Alles wäre ihm lieber gewesen, als hier zu sitzen und tatenlos der kommenden Ereignisse zu harren. Es war schon spät, beinahe zweiundzwanzig Uhr, und nichts hatte sich bisher ereignet – nicht einmal Lord Hayward hatte sich blicken lassen. Dorian wurde aus dem Alten nicht klug. Er war selbst kein Dämon, aber er schien ihnen weitgehend verfallen zu sein.
Der Dämonenkiller zuckte zusammen, als etwas gegen das Fenster schlug. Er schaute hinaus, konnte aber nichts sehen. Als er die schweren Vorhänge zuziehen wollte, gab Phillip einen krächzenden Laut von sich. Er hatte sich aufgerichtet und fuchtelte verzweifelt mit den Händen in Dorians Richtung. Hunter verstand ihn. Er ließ vom Vorhang ab und begab sich zu Phillips Bett.
»Alina«, kam es abgehackt über Phillips Lippen. Und wieder: »Alina!«
»Sie muß wohl deine größte Liebe und Enttäuschung zugleich gewesen sein«, sagte Dorian mitfühlend.
Phillip fuchtelte weiter mit den Händen vor seinem Gesicht herum. Dann kletterte er plötzlich aus dem Bett und kam stolpernd auf die Beine. Dorians Hände schüttelte er ab. Er schritt geradewegs auf das Fenster zu. Als er es erreicht hatte, suchten seine tastenden Hände nach dem Hebel, um es zu öffnen. Er war noch schlimmer dran als ein Blinder, ihm fehlte auch jeglicher Tastsinn. Phillip lebte in einer anderen Welt. Vor Wut über
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