0034 - Dracula gibt sich die Ehre
stärker. Sheilas Beine schrammten über nacktes Mauerwerk, die Nylons rissen, hart stieß sie mit den Ellbogen gegen die Fensterecke, und noch immer war es ihr unmöglich, um Hilfe zu rufen.
Sheila Conolly verlor den Kampf.
Sie wurde durch das Fenster gezogen, dann zu Boden gedrückt, und erst jetzt lockerte sich der harte Griff. Sheilas Schrei erstickte. Vor Grauen wurde sie stumm. Ein glatzköpfiger, widerlich grinsender Kerl hatte sich über sie gebeugt und zeigte seine langen Vampirzähne. In seinen Augen stand ein gieriges Leuchten, und aus der Kehle drang ein wölfisches Knurren.
Bewegungslos vor Angst lag Sheila auf dem schmutzigen Boden. Sie glaubte, daß der Vampir sich auf sie stürzen würde, doch das geschah nicht.
Statt dessen erschien ein zweiter Glatzkopf. Er sah dem Kerl, der Sheila überwältigt hatte, täuschend ähnlich, hatte das gleiche breite Gesicht und das gleiche widerliche Grinsen. Die beiden mußten Zwillinge sein.
Sheila hatte mit ihrer Ahnung recht. Es waren Gorum und Vlado, die Brüder vom Ceprac-Clan. Sie unterhielten sich auf deutsch, doch Sheila verstand jedes zweite Wort und bekam mit, was ihr noch bevorstand.
»Pack sie in den Wagen«, sagte der zweite Glatzkopf. »Am liebsten möchte ich…«
»Nein, Vlado. Los. Du weißt, was der Meister gesagt hat! Du wirst sie noch früh genug bekommen!« Vlado stieß ein Knurren aus, fügte sich aber. Sein Bruder Gorum steckte Sheila einen Knebel in den Mund, und dann hoben die beiden Vampire sie an.
Sie befanden sich auf dem fast dunklen Hof des Theaters, wo normalerweise große Bühnendekorationen zusammengezimmert wurden oder die ankommenden Lastwagen ihre Fracht abluden.
Jetzt lag der Hof düster und ausgestorben da. Nur über einer schmalen Tür brannte eine einsame Lampe. Ihr Schein wurde aber bald von der Finsternis verschluckt. Die Vampire hatten es eilig. Sie liefen mit ihrer menschlichen Last rasch auf einen im Hof abgestellten Wagen zu. Es war der Leichenwagen! Die Hecktür stand offen.
Sheila, die es aufgegeben hatte, sich zu wehren, wurde roh auf die Ladefläche des Leichenwagens geworfen. Die beiden Vampire kletterten hinterher. Ein dritter saß am Steuer. Er gab sofort Gas, und der Wagen setzte sich mit durchdrehenden Hinterreifen in Bewegung. Sheila Conolly aber fuhr einem ungewissen Schicksal entgegen…
***
Bill Conolly wurde immer nervöser. In jeder Minute schaute er mindestens zweimal auf die Uhr.
Der erste Gong war schon ertönt, und das Foyer leerte sich mittlerweile. Die Frauen an der Garderobe setzten sich hin und nahmen ihr Strickzeug oder ihre Zeitungen zur Hand, um sich die Wartezeit bis zum Ende der Vorstellung zu verkürzen. Auch das mit den Conollys befreundete Ehepaar erhob sich. »Wir sehen uns dann ja in der Pause.«
Bill sah den beiden nach.
Wie ein begossener Pudel hockte er in dem Sessel. Die frisch angezündete Zigarette verqualmte im Aschenbecher. Die Besucher, die sich jetzt noch im Foyer aufhielten, waren an zwei Händen abzuzählen. Ein paar Nachzügler trafen noch ein und hasteten zur Garderobe. Schon während des Laufens zogen sie ihre Mäntel aus.
Plötzlich verlöschte ein Teil der Beleuchtung. Die Lampen an der Wand fielen aus. Bill bemerkte es, nahm aber davon keine besondere Notiz.
Auch den Garderobieren war es so ziemlich egal. Noch drei Minuten bis zum Beginn der Vorstellung. »Verdammt!« zischte Bill Conolly. Jetzt hielt er es nicht mehr länger aus. Ob Damentoilette oder nicht – er wollte sehen, wo seine Frau blieb. Energisch schritt Bill los.
Ihn kümmerten auch nicht die überraschten Blicke der Garderobieren, als er die Tür ansteuerte, durch die Sheila verschwunden war.
Vor der Tür zögerte der Reporter einen Moment, klopfte dann an, und da sich nichts tat, öffnete er. Dunkelheit!
Auf der Toilette war es stockfinster.
Augenblicklich rasselten in Bills Hirn die Alarmglocken. Der Ausfall der Lampen, die Dunkelheit auf der Toilette, Sheilas Fernbleiben – all das waren Dinge, die ihn in Alarmzustand versetzten.
Bill stürzte in den Vorraum. Leer!
Durch die offene Tür fiel genügend Licht, um sich orientieren zu können.
»Sheila?« Bills Stimme hallte nach, aber er erhielt keine Antwort.
Im Türrechteck tauchte eine ältere Frau auf. Sie trug einen weißen Kittel. »Suchen Sie etwas, Mister?«
Auf dem Absatz machte Bill kehrt. »Ja, meine Frau. Sie ist vor etwas mehr als einer Viertelstunde hier zur Toilette gegangen und bisher noch nicht aufgetaucht. Sind
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