0036 - Die Seuche des Vergessens
der Krankheit folgernde Erhöhung des Intelligenzquotienten würde niemandem schaden. Auch die Rebellenführer waren gegen die nur scheinbar so fürchterliche Seuche gefeit, die in Wirklichkeit nicht einmal die Gefährlichkeit einer normalen Grippe erreichte. Was bedeutete schon der Verlust der Erinnerung, führte John mehrmals aus, als sie darüber sprachen, wenn man sie jederzeit zurückerhalten konnte und dann klüger war als je zuvor? Es ist wie eine schmerzlose Narkose, sagte er, aus der man gesund erwacht.
Der Segler lag etwa hundert Meter vom Kai entfernt auf Reede. Tako kehrte gerade von einem Einsatz zurück. Wie üblich materialisierte er mitten zwischen den Mutanten, die auf dem Oberdeck saßen und mit Ralv die nächsten Maßnahmen besprachen. Gucky lag neben Tama auf dem Rücken und ließ sich den Bauch kraulen. Lediglich Ralv erschrak; er hatte sich noch nicht an die außergewöhnlichen Fähigkeiten seiner neuen Freunde gewöhnen können.
John sah auf.
„Nun, hast du etwas erreicht, Tako?“
Der Japaner nickte und setzte sich zu ihnen.
„Ich muß gestehen, daß in diesen letzten Wochen die Organisation der Widerstandsbewegung großartige Fortschritte gemacht hat. Der Name Ralvs ist zu einer Art Zauberwort geworden. Bedingungslos und voller Vertrauen gehorcht man ihm und befolgt seine Anordnungen. Die Kiste mit den Erregerbomben brachte ich zum Ost- Kontinent. Dort gelangt der Inhalt zur Verteilung.“
„Du warst lange fort - annähernd Stunden.“
Tako zuckte mit den Achseln.
„Die Rebellengruppe dort drüben lebt sehr isoliert. Ich mußte einige Fragen beantworten. So sehr man Ralv auch vertraut, die Neugier, läßt sich nicht immer ganz unterdrücken. Du wirst das verstehen, Ralv.“
Der rothäutige Rebell nickte.
„Meine Anweisungen sind knapp und erklären praktisch nichts. Die Leute werden natürlich die Gelegenheit nutzen, um ein wenig hinter die Kulissen zu schauen. Was hast du ihnen gesagt?“
„Die Wahrheit, was sonst?“
John zog die Augenbrauen in die Höhe.
„Du hast ihnen gesagt, was ihnen bevorsteht? Sie wissen also, daß sie sich und andere infizieren - daß sie die Erinnerung verlieren werden?“
„Ja - und ich erklärte ihnen auch, warum das so sein müsse. Wenn sie wollen, daß die Springer ihre Welt kampflos und in panischer Flucht verlassen, müssen sie tun, was wir von ihnen verlangen. Vielleicht durchschauen die Goszuls unseren Plan nicht vollständig, aber sie fühlen doch, daß es keinen anderen Weg gibt. Die Bomben werden noch heute Abend in verschiedenen Städten des Ost-Kontinents platzen und die Bakterien verbreiten.“
„Wir können also in einer Woche damit rechnen, daß die äußeren Anzeichen der Seuche dort ebenfalls auftreten. Damit ist der erste Teil unserer Aufgabe abgeschlossen.“
John schien erleichtert. „Es ist nicht leicht, eine ganze Welt erkranken zu lassen, auch dann nicht, wenn man das Heilmittel bei sich führt. Aber wenn dieser Planet wieder frei sein wird und die Menschen gesund, ist ihre Intelligenz soweit angestiegen, daß sie mit ihrem Verstand etwas anzufangen wissen. Die Kurve der zukünftigen Entwicklung wird steil ansteigen.“
Für einige Augenblicke entstand Schweigen. Heiß brannte die Sonne aus dem wolkenlosen Himmel herab und ließ das fast unbewegte Wasser im Hafen wie flüssiges Blei schimmern. Drüben am Kai lungerten untätig einige Goszuls und warteten auf Gelegenheitsarbeit. Die Robotzentralen hatten schon lange keine neuen Aufträge mehr erteilt. Noch wußten diese Goszuls nicht, daß der Keim der Seuche bereits in ihnen arbeitete und vielleicht schon morgen die roten Flecken auf ihre Wangen zaubern würde.
Tako seufzte: „Ich möchte ein wenig schlafen, John. Wie lautet der nächste Auftrag?“
„Heute Abend wird Enzally Verbindung mit mir aufnehmen, eher kann ich nichts sagen. Es wird von ihm abhängen, wann und wo wir eingreifen. Die Springer verhalten sich abwartend. Seitdem zwei Gouverneure erkrankt sind, scheinen sie vorsichtig geworden zu sein. Jeder Kontakt mit den Eingeborenen wird vermieden. Übrigens haben die Robots unser ‚Totenschiff' versenkt. Zum Glück konnte sich die Besatzung schwimmend retten.“
„Das also hatten sie nicht vergessen?“ wunderte sich Tako. John lächelte nachsichtig.
„Die Erinnerung setzt aus, aber nicht die Fähigkeit, eingeübte Handlungen auszuführen. Außerdem sind die Erinnerungen nicht etwa gelöscht. Wie wäre das auch möglich, wenn später einmal alles
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