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0039 - Turm der Verlorenen

0039 - Turm der Verlorenen

Titel: 0039 - Turm der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kubiak
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seine Schranken zu verweisen, wie sie es ausdrücken. Nun gut, sie haben dabei auch immer Erfolg gehabt, doch hat sie das ihre ewige Ruhe gekostet. Immerhin führen sie ein Leben, das schlimmer sein könnte, und mit dem sie eigentlich recht zufrieden sind, nicht wahr, Don Corastro?«
    Der hübsche Radu hatte sich halb umgewandt und zu einem Bild gesprochen, das einen spanischen Grande zeigte. Die versilberten Schnallen auf seinem Wams glitzerten, als seien sie echt und nicht nur gemalt. Tiefes Leid stand in dem zerfurchten Gesicht, doch der Kopf neigte sich demütig und nickte beipflichtend.
    Radu drehte sich wieder zu Zamorra um.
    »Er hatte vor zweihundert Jahren versucht, einen Satansorden auseinanderzusprengen. Es ist ihm auch gelungen. Doch im letzten Moment gelang es einem von uns, ihn mitzunehmen ins Jenseits, in die Dimension, in die wir gehören, in der wir keine Ruhe finden, sondern ziellos umherirren. Ich habe allen eine Heimat gegeben, in der sie sich wohl fühlen, soweit man sich wohl fühlen kann. Viel geschieht nicht, das uns die Langeweile vertreiben könnte. Doch von Zeit zu Zeit gibt es auch für uns einen Lichtblick, wenn einer vermessen genug ist, uns herauszufordern. Heute ist es wohl wieder soweit. Du bist hier und willst deine Kräfte mit einem von uns messen. Darum hüte dich. Du bist von Feinden umgeben. Doch genug jetzt geredet. Wir wollen nicht mehr länger warten. Dein Gegner wartet schon, und die Zeremonie, die dich zu einem von uns machen soll, ist bereits vorbereitet. Heute Nacht wird das Dorf Valice tot bleiben, denn alle sollen deinen großen Augenblick miterleben.«
    Er gab mit einer Hand einen kurzen Wink. Zamorra spürte rechts und links von sich eine heftige Bewegung. Er wollte sich umwenden, sich zurückwerfen, um dem Zugriff zu entgehen. Doch die Schergen waren schneller.
    Messerscharfe Krallen umschlossen seine Oberarme und zerfetzten seine Kleidung oder das, was noch davon übrig war. Starke Windstöße kühlten sein Gesicht, doch war nichts Labendes darin. Es war der Hauch des Todes, der ihn streifte.
    Im unsicheren Licht der nun allmählich verblassenden Gemälde erkannte Zamorra, wer seine Schergen waren.
    Es waren die beiden fliegenden Ungeheuer, die auch Mordius in diesen abgelegenen Landstrich befördert haben mussten. Überdeutlich boten sich Zamorra die beiden Fratzen der Kreaturen dar. Sie schienen wie aus Stein gehauen, und kein lebender Ausdruck lag in ihren Augen. Die weiten Fledermausflügel umhüllten sie wie weite Mäntel und erhöhten das Imposante ihrer Erscheinungen noch.
    Ein heftiger Ruck riss den Professor nach vorn. Fast wäre er gestürzt, doch die beiden Ungeheuer hielten ihn in sicherem Griff.
    Der hübsche Radu drehte sich in der Tür noch einmal um.
    »Kommt, meine Getreuen, auch wenn ihr es nicht wollt. Ihr dürft bei dem Schauspiel nicht fehlen.«
    Dabei winkte er und gab das Zeichen, Zamorra weiterzuschleifen.
    Ein leises Knirschen, mehr spürbar als akustisch wahrnehmbar, ließ Zamorra den Kopf wenden. Aus den Augenwinkeln sah er etwas, was er sich nie auch nur hätte träumen lassen. Es war so unfassbar, dass er an seinem Verstand zweifelte.
    Die Gemälde an den Wänden fingen an zu leben. Sie wurden plastisch, wölbten sich vor, als wollten sie platzen. Doch kein Riss zeigte sich auf den Leinwänden. Vielmehr traten immer deutlicher die Konturen der Dargestellten als Reliefs zutage. Sie wurden fassbar, dreidimensional.
    Und sie schickten sich an, den Bildern, den Gefängnissen ihrer Bilderrahmen zu entsteigen.
    ***
    Mit brutaler Gewalt wurde Zamorra von den beiden Flugwesen vorwärts gezerrt. Er bot seine ganzen noch verbliebenen Kräfte auf, mit den Ungeheuern Schritt zu halten, doch gaben ihm schon nach einigen Metern die Beine nach und schleiften über den Boden. Es ging einige Stufen hinunter und durch endlos scheinende Gänge. Zamorra versuchte sich zu orientieren, doch bald schon musste er feststellen, dass er dem Weg, den sie nahmen, nicht mehr folgen konnte.
    Vor ihnen schritt Radu, der Schreckensfürst aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Er wandte sich kein einziges Mal um. Er wusste genau, dass Zamorra sich in seiner Gewalt befand und sich aus eigener Kraft nicht befreien konnte. Zielstrebig setzte er seinen Weg fort, bis er an eine große, zweiflügelige Tür gelangte.
    Davor blieb er einen Moment stehen. Zwei körperlose Schemen eilten herbei und öffneten die Tür. Ungewisses Dämmerlicht herrschte in dem Raum dahinter. Das Licht

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