004 - Geister im Moor
Nein, es war keine Frage des Geldes, sondern er konnte es ganz einfach nicht riskieren, diesen abscheulichen Weg mit seinem klapperigen alten Bus zu fahren …
Der Chauffeur tippte an seine Mütze und ließ mich mit meinen beiden großen Koffern auf dem Gehsteig stehen.
New Guilclan entsprach so ziemlich der Beschreibung, die Anthony Burr mir gegeben hatte. Im Sommer und bei Sonnenschein musste es recht reizvoll sein, aber an diesem Apriltag hingen tiefe Wolken am Himmel, es nieselte, und ein kalter Wind wehte. Der verlassene Strand vor einem grauen Ozean, der sich im Nebel verlor, sah irgendwie unendlich traurig aus.
Und was nun? Ich war etwas verwirrt, aber im Grunde gefiel mir, das Guilclan tatsächlich schwer zugänglich und daher gewiss so abgeschieden und geheimnisvoll war, wie ich es mir erhofft hatte. Ich wünschte mir nur umso sehnlicher, möglichst rasch dorthin zu gelangen. Ohne meine beiden schweren Koffer wäre ich vermutlich sofort zu Fuß aufgebrochen. Sechs oder sieben Kilometer waren schließlich nicht die Welt, auch nicht auf schlechten, felsigen Wegen. Aber es war bereits später Nachmittag, und es blieb mir wohl nichts anderes übrig, als erst mal zu bleiben, wo ich war.
Der Bus hatte mich vor einem Café abgesetzt, das zugleich Andenkenladen war, und in dem Zeitschriften, Bücher, Postkarten und Souvenirs verkauft wurden. Ich betrat das Café, das völlig leer war, und setzte mich an einen Fenstertisch, von dem aus ich den Strand und das Meer sehen konnte.
Eine Frau mittleren Alters mit freundlichem Gesicht erschien und fragte mich nach meinen Wünschen. Ich bestellte einen Grog und erkundigte mich auch bei ihr nach einer Möglichkeit, nach Guilclan zu gelangen.
Sie schüttelte den Kopf. »Leider, mein Herr, da kann ich Ihnen nicht helfen …« Und sie erwähnte den Fischhändler, der am nächsten Tag zum Markt kommen würde.
Während sie mir erklärte, das New Guilclan im Sommer sehr viel belebter und freundlicher wäre und viele Möglichkeiten böte, öffnete sich die Tür, und ein junges Mädchen trat ein. Ihr Anblick traf mich wie ein Schock. Sie war groß, schlank und trug einen grauen Tweedmantel von schlichter Eleganz. Ein graues Seidentuch verhüllte teilweise ihre wunderschönen, leuchtend aschblonden Haare. Ihr Gesicht, ihr Körper, ihre Beine, ihre Haltung, alles an ihr war von einer überraschenden, fast geheimnisvollen Schönheit. Ihre Augen waren blau und hatten jenen tiefen, sanften Blick, der eine zarte, feinsinnige Seele verrät. Ich war verwirrt und fühlte mich sofort stark zu ihr hingezogen. Nie hätte ich gedacht, an einem so trübsinnigen, abgelegenen Ort ein so hübsches Mädchen anzutreffen.
Sie ging zur Ladentheke, wo die Zeitungen und Illustrierten auslagen, und wartete auf die Cafébesitzerin. Dann sprachen die beiden Frauen leise miteinander, und ab und zu blickte die junge Unbekannte zu mir hin. Schließlich kaufte sie ein Buch, ein paar Zeitungen und Schreibpapier. Danach ging sie nicht zur Tür, sondern kam geradewegs auf mich zu.
»Ich habe gehört, dass Sie nach Guilclan wollen und nicht wissen, wie Sie hinkommen können«, sagte sie.
Ich war höflich aufgestanden. Sie hatte eine sehr angenehme, melodiöse Stimme. Von nahem fand ich sie noch schöner. »So ist es«, erwiderte ich etwas verwirrt. »Wenn Sie jemanden wissen, der …«
Sie betrachtete mich sekundenlang forschend mit ihren großen blauen Augen, dann sagte sie: »Oh, es ist viel einfacher. Ich kann Sie mitnehmen. Mein Wagen steht draußen.«
Im ersten Augenblick war ich sprachlos vor Verblüffung. »Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen«, erklärte ich endlich. »Aber ich möchte nicht … Bei diesem schlechten Wetter … und man hat mir gesagt, dass die Strasse sehr schlecht und gefährlich ist.«
»Machen Sie sich keine Gedanken. Ich kenne sämtliche Strassen der Umgebung bestens … Im Übrigen fahre ich nach Hause, und ich brauche nur einen kleinen Umweg zu machen, um Sie an Ihrem Ziel abzusetzen. Ich wohne nicht weit von Guilclan.«
Natürlich nahm ich ihr Angebot an. Ihr Wagen parkte hinter dem Café, ein Luxusauto. Sie fuhr vorsichtig und sehr gut. Der Regen strömte inzwischen herab, und vom Boden stieg Nebel auf. Die Sicht war sehr schlecht.
»Scheußliches Wetter«, sagte ich nach einer Weile, um irgendetwas zu sagen.
»Oh, um diese Jahreszeit ist es oft so«, erwiderte sie. »Aber ich liebe dieses Wetter … Kennen Sie Guilclan?«
»Überhaupt nicht.«
»Dann ist es
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