005 - Der Griff aus dem Nichts
Dorian. »Haben Sie diese Vorzüge vielleicht durch Dr. Fullers Behandlung erhalten?«
Sie drohte schelmisch mit dem Finger. »Sie sind mir aber ein ganz Schlimmer! Jetzt fehlte nur noch, daß Sie wissen wollen, was der gute Robert mit mir gemacht hat.«
Dorian räusperte sich. »Hm, das wäre doch etwas indiskret.«
»Aber keineswegs!« Sie packte seine Hand und zog ihn mit sich. »Komm, Darling! Dann zeige ich dir, wozu er mir verholfen hat.«
»Aber …«
»Siehst du nicht, wie sich der Saal gelichtet hat?« unterbrach sie ihn. »Nach Dorothys Auftritt wird aus der Party sowieso nichts mehr. Keine Bange! Was heute in diesem Haus passiert, steht morgen bestimmt nicht in den Klatschspalten. Oder hast du Angst vor der temperamentvollen, starken Lorna, Darling?«
In der Tat, Lorna war ein kräftiges Mädchen, das sah man ihr auf Anhieb gar nicht an. Sie hielt Dorians Hand so fest, daß es ihn große Anstrengung gekostet hätte, sich aus ihrem Griff zu befreien. Während sie durch einen leeren Korridor gingen, der nur von schummrigen Wandleuchten erhellt wurde, lehnte sie sich schutzbedürftig an ihn. Dabei ließ sie seine Hand los, so daß er sie ihr um die Schulter legen konnte.
Er dachte nur kurz an Coco. Was er hier tat, hatte mit Liebe gar nichts zu tun, es war nicht einmal Leidenschaft, sondern gehörte zu seiner Tätigkeit als Dämonenkiller. Vielleicht konnte ihm dieses Mädchen weiterhelfen, mehr über Dr. Fuller in Erfahrung zu bringen. Sie schien etwas zu wissen. Oder machte sie sich nur interessant?
»Da hinein!« hauchte sie. Er öffnete die Tür und tastete nach dem Lichtschalter. »Kein Licht, Darling!« bat sie. »Ich finde es im Dunkeln viel gemütlicher.«
»Aber wie kann ich dann sehen, welches Wunder Dr. Fuller an dir vollbracht hat?« fragte er scherzend.
»Nicht sehen, Darling, fühlen sollst du es.«
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß, und plötzlich bemächtigte sich seiner ein Gefühl der Beklemmung. Er konnte nicht sagen, wieso, aber er fühlte auf einmal eine klaustrophobische Enge in sich.
Lorna hielt ihn fest umschlungen. Ihr heißer Atem schlug ihm ins Gesicht. Er beugte sich über sie, fand ihre Lippen und hoffte, daß ihn der Kuß berauschen und das Gefühl der Beengung von ihm nehmen würde, aber es wurde nur noch schlimmer. Und plötzlich wußte er, warum er sich so eingeengt fühlte. Sein klaustrophobischer Anfall war nicht psychischer Natur, sondern rein körperlichen Ursprungs: Lorna hielt ihn fest umschlungen. Sie drückte ihm die Arme an die Seite seines Körpers, so daß er sie überhaupt nicht mehr bewegen konnte. Er spürte, wie seine Hände taub wurden, und versuchte, die Klammer zu sprengen, aber es gelang ihm nicht. Lorna hielt ihn wie ein Schraubstock fest. Jetzt verschränkte sie ihre Finger auf seinem Rücken und drückte noch fester zu. Er rang nach Atem. Endlich schaffte er es, sich wenigstens von ihren Lippen zu lösen, die sich an seinem Mund festgesaugt hatten.
Sie lachte glucksend und ließ ihn so abrupt los, daß er die Balance verlor. Er griff in die Dunkelheit und stieß im Fallen irgend etwas um, das polternd zu Boden stürzte. Sofort sprang er wieder auf, doch kaum stand er auf den Beinen, als sich Lornas Arme erneut um seinen Körper schlangen. Er schlug mit den Fäusten um sich, traf sie ins Gesicht, aber sie lachte nur.
»Was soll das?« fragte er stöhnend.
»Du wolltest doch wissen, was Robert mir gegeben hat«, sagte sie, »und ich versprach, es dich fühlen zu lassen. Es ist Kraft, Darling. Robert hat mir so viel Kraft gegeben, daß ich dich zwischen meinen Armen zerquetschen kann.«
Dorian schlug immer verzweifelter auf sie ein, aber sie lockerte ihre tödliche Umarmung nicht. Vor seinen Augen tanzten bunte Kreise. Er war nahe daran, die Besinnung zu verlieren, doch er wußte, wenn er jetzt schlapp machte, dann war er verloren. Lorna würde ihm mit den bloßen Händen das Rückgrat brechen.
Plötzlich bekamen seine Hände etwas Klobiges, Schweres zu fassen. Ohne recht zu wissen, was er tat, holte er mit dem schweren Gegenstand aus und schlug damit auf Lorna ein. Einmal, zweimal – und immer wieder, bis er spürte, daß sich ihr Griff lockerte. Ohne einen Laut von sich zu geben, brach sie zusammen. Dorian tastete sich durch die Dunkelheit zur Tür und taumelte auf den Korridor hinaus. Sein ganzer Brustkorb schmerzte, als seien ihm sämtliche Rippen gebrochen.
Er kam nicht weit. Nach zwei Schritten verlor er das Bewußtsein.
Als
Weitere Kostenlose Bücher