005 - Der Griff aus dem Nichts
einer Glaswand. Das Gebäude war an der Flanke terrassenförmig angelegt, fensterlos und kubusartig ineinander verschachtelt. Der Architekt, der dieses Bauwerk entworfen hatte, mußte völlig wahnsinnig gewesen sein.
Etwas fiel Dorian besonders auf. Er sah im Park einen Gärtner, der die Hecken stutzte, und auch das Bauwerk wirkte gepflegt und strahlte immer noch die Hygiene eines Krankenhauses aus. Wer legte auf die Pflege des Parks und der Anlagen solchen Wert, wenn das Sanatorium längst geschlossen worden war?
Dorian stieg aus, und Rudolpho folgte ihm das halbe Dutzend Stufen zum Hauptportal hinauf. Durch die Glasfront sah Dorian in eine ganz in schwarz gehaltene Empfangshalle. An den Wänden bildeten nur sparsam eingesetzte, an Bilderrahmen erinnernde, quadratische weiße Flächen und Leuchten aus Milchglas ein paar angenehme Kontraste. Das Empfangspult und der Teppich waren ebenfalls pechschwarz.
Dunkel gekleidet war auch der große, schlanke Mann, der ihnen aus der Empfangshalle entgegenblickte. Seine Augen lagen tief in den Höhlen und ließen das Gesicht wie einen Totenschädel erscheinen.
Dorian griff entschlossen nach der Glastür. Sie schwang jedoch, von einem surrenden Elektromotor angetrieben, automatisch auf. Er trat ein, und Rudolpho folgte ihm lautlos.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte der Mann in Schwarz, ohne die Lippen zu bewegen. Er hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt.
Als Dorian vor ihm stand, stellte er fest, daß der Mann ihn selbst tatsächlich noch um einige Zentimeter überragte. Er mußte knapp zwei Meter lang sein.
»Mein Name ist Dorian Hunter«, stellte sich der Dämonenkiller vor. »Ich hätte gern den Verwalter des Sanatoriums gesprochen.«
»Das bin ich«, sagte der Schwarzgekleidete und verneigte sich leicht, ohne die Hände vom Rücken zu nehmen. »Gestatten, Lewis Goddard.« Er deutete auf eine der Türen in der Empfangshalle. »Folgen Sie mir bitte in mein Büro.«
Er ging mit Riesenschritten vor, öffnete die Tür und gab Dorian und Rudolpho den Weg frei. Das Büro war ebenfalls ganz in Schwarz gehalten. Zudem lag es noch in dem fensterlosen Trakt des Gebäudes. Das starke Deckenlicht wurde von den schwarz lackierten Büromöbeln fast verschluckt.
Nachdem Dorian in einem weichen Ledersessel Platz genommen und der Verwalter sich ihm gegenüber hinter dem riesigen Schreibtisch niedergelassen hatte, entstand ein sekundenlanges Schweigen. Lewis Goddard brach es, indem er kurz angebunden fragte: »Nun, Mr. Hunter?«
»Ein Freund, der bei Dr. Fuller in Behandlung war, hat mir die Adresse des Sanatoriums gegeben«, begann Dorian zögernd. »Als ich nach Hollywood kam, hörte ich jedoch, daß Dr. Fuller nicht mehr praktiziert. Ich kann mich aber mit dem Gedanken nicht anfreunden, daß ich den weiten Weg vergeblich gemacht haben soll. Ich habe ein Problem und glaube, daß mir nur Dr. Fuller helfen kann.«
»Tut mir leid«, sagte Lewis Goddard ohne Bedauern. »Man hat Sie nicht belogen, als man Ihnen sagte, daß Dr. Fuller nicht mehr praktiziert.«
»Da muß sich doch etwas machen lassen«, meinte Dorian. »Ich meine, am Geld soll es nicht liegen. Ich wäre schon froh, wenn Dr. Fuller mich empfangen würde und ich ihm mein Anliegen vortragen könnte. Ich bin überzeugt, daß mein Fall auch medizinisch für ihn interessant wäre.«
»Ganz ohne Zweifel«, sagte der Verwalter, »aber das Dumme daran ist, daß Dr. Fuller schon seit einem halben Jahr verreist ist. Da sich für ihn kein Nachfolger gefunden hat, wurde das Sanatorium geschlossen.«
Dorian nickte. »Das habe ich alles erfahren. Nur – ich kann es einfach nicht glauben. Hat Dr. Fuller seine neue Adresse nicht hinterlassen? Er kann doch nicht einfach wie vom Erdboden verschwunden sein.«
»Ich bin nur der Verwalter dieses Gebäudes, Mr. Hunter«, sagte Lewis Goddard kühl. »Ich kenne Dr. Fullers Aufenthaltsort nicht, und ich habe auch keine Ahnung, was aus ihm geworden ist.« Er erhob sich. »Sie sehen, ich kann Ihnen nicht helfen.«
»Vielleicht doch«, sagte Dorian. Er griff in die Brusttasche seines Jacketts, holte seine Brieftasche hervor und fragte: »Wieviel?«
»Sie vergeuden Ihre Zeit, Sir«, sagte der Verwalter steif. »Hier ist kein Auskunftsdienst. Ich sehe mich außerstande, mich noch länger mit Ihnen zu unterhalten. Würden Sie jetzt bitte gehen?«
Dorian erhob sich mit gespielter Wut. »Sie werden noch von mir hören, Goddard. Verlassen Sie sich drauf, daß ich herausfinde, für wen
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