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0050 - Der Stein des Satans

0050 - Der Stein des Satans

Titel: 0050 - Der Stein des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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über schweren Kettenhemden.
    Banner flatterten, ein Wald von Lanzen ragte in die Luft. Wo Metall das Sonnenlicht reflektierte, schienen helle Pfeile aus der Staubwolke hervorzustechen. Immer näher kam die dahinjagende Gruppe – und selbst die Pferde, gepanzert wie ihre Reiter, wirkten fremdartig und unheimlich.
    »Wir sollten verschwinden«, flüsterte Nicole erregt. »Vielleicht…«
    »Zu spät! Sie haben uns gesehen!«
    Bill biss sich auf die Lippen. Sein Blick hing an den Gestalten, die jetzt die Pferde zügelten, die Köpfe wandten. Rufe klangen auf. Die ganze unheimliche Gruppe änderte die Richtung – und mit zurückgenommenem Tempo preschte das kleine Heer auf die beiden Menschen zu, die einer anderen Welt und einer anderen Zeit angehörten.
    Nicole und Bill hatten keine Wahl, als an ihrem Platz zu bleiben.
    Im Halbkreis verharrten die schimmernden Gestalten um sie. Gestalten, die den Abbildungen irgendeiner mittelalterlichen Chronik entstiegen schienen – und die doch lebten, sich bewegten, erregt miteinander flüsterten. Die schweren Kettenhelme ließen die Gesichter frei. Dunkle, gezeichnete Gesichter, verbrannt von einer fremden Sonne. Nicoles Blick glitt umher – und sie hielt sekundenlang den Atem an, als sie die Züge Leonardo de Montagnes über einem schweren Brustpanzer entdeckte.
    Er war es, kein Zweifel!
    Für Sekunden begegneten sich ihre Augen. Aber es gab nicht das geringste Zeichen des Erkennens in Leonardos Gesicht – und Nicole begriff, dass dies nicht der Dämon des »Schrecklichen« war, sondern ein lebendiger Mensch, der noch nichts von seinem künftigen Schicksal ahnte.
    »Wer seid ihr?« Die Stimme klang dunkel und schwer – der Mann, dem sie gehörte, musste der Führer der kleinen Streitmacht sein.
    »Welche heidnischen Frevler wagen es, sich dem Heerlager des Kreuzes zu nähern? Euer Leben ist verwirkt, ihr…«
    »Wir sind Christen wie ihr«, sagte Nicole ruhig. Sie hatte den aufflammenden Fanatismus in den Augen der Männer gesehen, sie spürte die Gefahr. »Wir sind von weither gekommen, aus einer anderen Welt, wir…«
    »Ungläubige!«, schrie es aus der Reihe der Reiter.
    »Feinde des Kreuzes… Spione des Kalifen …«
    »Tötet sie!«
    »Tod allen Heiden! Tod, Tod…«
    Das Stimmengewirr schwoll zu einem dumpfen, bedrohlichen Brausen an.
    Lanzen wurden gehoben. Fäuste in Panzerhandschuhen fuhren zu den langen Schwertern. Schon sprangen die ersten Männer aus den schweren, unhandlichen Kürisssätteln – und Bill Fleming, der die Zeit der Kreuzzüge durch seine beruflichen Studien kannte, presste die Lippen zusammen in der Erinnerung an Dutzende von geschichtlichen Ereignissen, bei denen die Kreuzritter nicht gerade christliche Nächstenliebe gezeigt hatten.
    Das Handzeichen des Anführers stoppte den wütenden Angriff.
    Die Männer verharrten. Finster starrten sie die Fremdlinge an – aber zumindest verzichteten sie darauf, sie auf der Stelle niederzumachen.
    »Ihr seid Spione Achmans!«, verkündete der Ritter mit der dunklen Stimme. »Ihr seid geschickt von den heidnischen Frevlern, um…«
    »Nein!«, sagte Bill. »Wir sind…«
    »Schweig, Ungläubiger! Spione des Kalifen seid ihr, und euer Leben ist verwirkt! Eure Köpfe werden in den Sand rollen, eure Leiber verscharrt werden in ungeweihter Erde! Feinde des Kreuzes seid ihr! Eure schamlose Tracht verrät euch und die Sprache, die ihr schlecht gelernt habt! Niemand lebt in diesem Lande, der nicht ein Feind des Kreuzes wäre, niemand, der uns nicht zu Fall bringen wollte auf dem Weg zu unserem hohen Ziel. Ihr aber habt euch zu weit entfernt von den euren! Das Geschick gab euch in unsere Hand, und ihr werdet uns den Weg ebnen in Achmans Palast! Ihr werdet uns die Schwächen unserer Feinde zeigen! Ihr werdet alles verraten, was ihr wisst über das Reich der Kalifen. Nur wenn ihr uns dient, rettet ihr euer erbärmliches Leben…«
    Bill und Nicole wechselten einen Blick.
    Der junge Historiker in seiner legeren Feierabend-Kluft aus dem 20. Jahrhundert starrte den Mann in der schimmernden Rüstung an.
    Bill schluckte – und Nicole spürte, dass auch er sich jetzt fragte, ob dies alles tatsächlich ein bloßer Traum sein konnte.
    »Wir haben den Palast des Kalifen nie gesehen«, sagte er langsam.
    »Wir kommen aus einer anderen Zeit, wir…«
    Die Hand des Kreuzfahrers fuhr durch die Luft.
    Eine knappe, erschreckend endgültige Geste…
    »Ihr seid Spione des Kalifen! Ihr werdet sprechen!« Und nach einer kurzen,

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